Donnerstag, 14 September 2023 16:57

Florida: Hesperos Inc. entwickelt in vitro-Modell zur Erforschung der Opioidwirkungen Empfehlung

Ein Forscherteam der University of Central Florida und Hesperos unter der Leitung von Prof. James Hickman  hat erstmalig ein menschliches Modell zur Untersuchung der Auswirkungen einer Opioid-Überdosis und der Umkehrung mit Naloxon entwickelt. Für die Studien kultivierte das Team Neuronen des sogenannten Prä-Bötzinger-Komplex auf einem mikrofluidischen Chip.


In den USA ist es in den letzten 25 Jahren zu einer Opioidkrise gekommen. Laut der US-Behörde CDC sind von 1999 bis März 2021 fast 841.000 Menschen an einer Drogenüberdosis verstorben. Der traurige Hintergrund ist, dass der größte Teil der Opfer zuvor von Schmerzmitteln abhängig geworden war, die zuvor vom Arzt verschrieben worden waren. Seit 1996 wurde das verschreibungspflichtige Schmerzmittel Oxycontin gegeben, das die Familie Sackler mit ihrem Unternehmen Purdue Pharma auf den nordamerikanischen Markt brachte und als schmerzstillend und mit einem angeblich sehr geringen Suchtpotenzial verbunden aggressiv bewarb (1). Nach Auslaufen der Verschreibungszeit konnten sich die davon süchtig gewordenen Patienten diese teuren Medikamente jedoch nicht mehr leisten und wechselten zunächst auf Heroin, dann auf das kostengünstigere und hochpotente synthetische Fentanyl. Bislang hat die Erforschung von Fragestellungen um die Suchtproblematik an Tiermodellen stattgefunden, die bekanntermaßen nur begrenzt auf den Menschen übertragbar sind.

Der Prä-Bötzinger-Komplex wird als Schrittmacher des Atemzentrums angesehen. Er ist Bestandteil der ventralen respiratorischen Gruppe von Neuronen im ventralen Bereich der Medulla oblongata, die Hirnstamm zwischen Pons und Rückenmark liegt. Der Prä-Bötzinger-Komplex koordiniert durch abwechselnde rhythmische Erregung bzw. Hemmung die inspiratorischen und exspiratorischen Neuronengruppen (2). Bei einer Opioid-Überdosis schaltet sich dieser Komplex als erstes ab und führt beim Patienten zum Tod durch Ersticken.

Den ForscherInnen aus Orlando gelang es, für ihr Modell ein Differenzierungsprotokoll zu entwickeln, mit dem diese Neuronen aus induzierten pluripotenten Stammzellen erstmalig erfolreich entwickelt werden konnten. Mit Hilfe von immunzytochemischen Methoden konnte nachgewiesen werden, dass die so erzeugten Nervenzellen wesentliche Prä-Bötzinger-Komplex -Marker exprimierten. Elektrophysiologische Reaktionen auf Prä-Bötzinger-Komplex-Modulatoren wurden mittels der Patch-Clamp-Elektrophysiologie analysiert.

Mit ihrem Modell konnten die WissenschaftlerInnen weitaus genauer die dosisabhängige Hemmung der Aktivität dieser Neuronen für vier verschiedene Opioide mit IC50-Werten simulieren. Die Wirksamkeit durch den in der Notfallmedizin eingesetzten Opioidantagonisten Naloxon in einer konzentrationsabhängigen Weise konnte ebenfalls belegt werden.

Die ForscherInnen etablieren derzeit einen Human-on-a-Chip mit fünf Organ-Nachbildungen, darunter die Prä-Bötzinger-Komplex-Neuronen, Leber, Herz, Niere und Skelettmuskelgewebe, um nicht nur die Auswirkungen der Überdosis, sondern auch u.a. organspezifische, funktionelle Veränderungen bei jeder Opiat-induzierten Überdosis und Rettung überwachen zu können.

Das Hesperos-Team ist überzeugt, dass ihr außerordentliches Modell einen Weg für neue, wirksamere Behandlungen ebnet.

Originalpublikation:
Guo X, Akanda N, Fiorino G, Nimbalkar S, Long CJ, Colón A, Patel A, Tighe PJ, Hickman JJ. Human IPSC-Derived PreBötC-Like Neurons and Development of an Opiate Overdose and Recovery Model. Adv Biol (Weinh). 2023 Sep 7:e2300276. doi: 10.1002/adbi.202300276. Epub ahead of print. PMID: 37675827.

Weitere Informationen:
https://hesperosinc.com/first-overdose-model-published-in-advanced-biology/
https://www.businesswire.com/news/home/20230907562670/en/New-Study-Describes-First-Functional-Human-Model-to-Investigate-Opiate-Overdose-and-Recovery

zusätzlich:
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Purdue_Pharma
(2) https://flexikon.doccheck.com/de/Pr%C3%A4-B%C3%B6tzinger-Komplex