Montag, 10 August 2015 10:00

Ökotoxikologie: Substanzuntersuchung mit Kiemenzellen Empfehlung

Die Schweizer EAWAG hat gemeinsam mit Kollegen von den ETHs Zürich und Lausanne sowie der Universität York in Großbritannien Tests auf Toxizität zur Bewertung von Substanzen auf das Fischwachstum anhand von Kiemenzellenkulturen gemacht anstatt mit lebenden Fischen.

Umweltbehörden verlangen vor der Zulassung neuer Chemikalien oft Tests mit Fischembryonen, wie die Forschungsanstalt Eawag am Freitag mitteilte. Der Fischembryo-Toxizitätstest (FET, OECD Testrichtlinier 236) ist eine anerkannte Alternativmethode zu Versuchen mit adulten Fischen (OECD Testrichtlinie 203) und wird seit 2013 verpflichtend im Bereich der Ökotoxikologie eingesetzt. Obgleich es sich um lebende Organismen handelt, gilt dieser Test nach der europäischen Tierversuchsrichtlinie nicht als Tierversuch, weil dort einheitlich festgelegt wurde, dass frühe, nicht
„freilebende“ Entwicklungsstadien von Tieren als nicht geschützt eingestuft werden. Darunter fallen auch alle Stadien, die sich nicht unabhängig ernähren. Erst 120 Stunden nach Befruchtung der Eier wurde eine aktive externe Nahrungsaufnahem und -nutzung beobachtet. Daher werden
Experimente mit dem Fisch (in der Regel Zebrabärbling) bis zu einem Alter von 5 Tagen nicht als Tierversuch betrachtet.

Wissenschaftler sind bei der Entwicklung des Ersatzverfahrens zum Tierversuch nun noch einen Schritt weitergegangen und haben eine in-vitro-
Testmethode entwickelt, bei der die Proliferationsgeschwindigkeit von Kiemenzellen der Regenbogenforelle gemessen und mit einem Computermodell auf den gesamten Fisch hochgerechnet wird.

"Es ist das erste Mal, dass wir von Zellkulturen sehr treffsicher auf Effekte an Tieren schliessen konnten, die im Tier erst nach Wochen oder gar Monaten sichtbar werden", wird die Umwelttoxikologin Prof. Kristin Schirmer, Leiterin der Abteilung Ersatz von Tierversuchen an der Eawag zitiert.

Noch ist offen, ob sich die Kiemenzellen als «Indikatoren» für alle Gewebe im Fisch bewähren. Möglicherweise reagieren andere Zellen anders oder
die getesteten Chemikalien werden in ihnen biologisch umgebaut, so in der Leber.

Die Forscher hoffen, dass das Verfahren zukünftig die langfristigen Tierversuche zum Fischwachstum ersetzen kann.

Die Resultate wurden im Fachjournal «Science Advances» veröffentlicht:
Stadnicka-Michalak, J, Schirmer, K & Ashauer, R. (2015): Toxicology across scales: Cell population growth in vitro predicts reduced fish growth.
Sci. Adv. 1: e1500302.

Quelle:
http://www.nachrichten.ch/detail/670172.htm

Literatur:
Braunbeck, T, Böhler, S, Strecker, R, Fedderwitz, F, Henn, K, Kais, B, Lammer, E, Schneider, K & Weigt, S (2012):  Der Fischembryotest als
Alternativmethode für den akuten Fischtest – abschließend notwendige Laboruntersuchungen und Datenanalysen zur Validierung des Fischembryotests für das OECD Prüfrichtlinienprogramm. Umweltforschungsplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. IV 1.1 – Internationales Chemikalienmanagement.
http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Forschungsdatenbank/fkz_3708_65_400_fischembryotest_oecd_bf.pdf