Samstag, 01 März 2014 08:20

Kritische Reflexionen zur Neurowissenschaft

Nach 10 Jahren neurowissenschaftlicher Forschung zeichnen Forscher eine eher nüchterne Erfolgsbilanz. Was 2004 in einem Manifest angekündigt worden war, nämlich enorme Fortschritte beim Verständnis von Alzheimer, Parkinson und neue nebenwirkungsarme Arzneimittel für Schizophrenie und Depressionen, konnte in dieser Form nicht gehalten werden, so die Verfasser eines aktuellen Memorandums.


Zwar erkennen die Kritiker um um den Psychiater und Neurologen Prof. Felix Tretter, Chefarzt am Isar-Amper-Klinikum München-Ost, hohe Leistungen insbesondere im den Bereichen Neurochirurgie und Neurorehabilitation an, jedoch liege der Grund dafür in der Entwicklung der Technik, nicht im Wissen um die Prozesse. Eine Zunahme von Details sei nicht zwangsläufig mit einer Zunahme des Verständnisses der Mechanismen verbunden.

Die Forscher sind überzeugt, dass es vor allem Schwächen im Bereich der Theorie der Neurowissenschaft und an den zu wenig durchdachten naturalistischen Vorannahmen und Konzepten gibt. Sie kritisieren eine Verkürzung der Psychologie auf alltagsweltliche Begriffe und Konzepte und auf einfache Experimente, so heißt es in dem Memorandum. Die Forschung habe gezeigt, dass eine psychische Funktion (z.B. Sehen) an mehreren Gehirnorten realisiert und andererseits ein Gehirnort an mehreren Funktionen beteiligt sei. Die Reduktion des Menschen mit all seinen intellektuellen und kulturellen Leistungen auf sein Gehirn sei völlig unzureichend, ist immer die ganze Person, die etwas wahrnimmt, überlegt, entscheidet, sich erinnert, und nicht ein Neuron oder ein Cluster von Molekülen.
Daher reiche es nicht, per Kernspin und anderen (bildgebenden) Methoden immer neue Daten zu sammeln, um die große Frage zu beantworten, wie das Gehirn arbeite und am Ende etwas wie Geist und Bewusstsein entstehe.

Die Verfasser fordern eine enge und institutionalisierte Zusammenarbeit von Biologie, Psychologie und Systemwissenschaft unter essenzieller Beteiligung der Philosophie mit ihren Facetten der Anthropologie, Philosophie des Geistes und Wissenschaftstheorie. Dabei seien die Mathematik und Methodik der Systemwissen-schaft mit ihrer Kompetenz der Analyse komplexer dynamischer Systeme äußerst hilfreich.

Quellen:
http://www.psychologie-heute.de/home/lesenswert/memorandum-reflexive-neurowissenschaft/
http://www.academics.de/
Manifest von 2004:
http://www.gehirn-und-geist.de/alias/psychologie-hirnforschung/das-manifest/852357