Mittwoch, 20 Juli 2016 19:27

CAAT-Information Day: Rückblick auf die Anfänge tierversuchsfreier Verfahren Empfehlung

Anfang Juli dieses Jahres blickten die Leiter verschiedener Doerenkamp-Zbinden-Lehrstühle aus Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, den USA und Indien zurück zu den Anfängen der Entwicklung von Ersatzverfahren zum Tierversuch.



Von links nach rechts: Dr. Costanza Rovida vom Center for Alternative to Animal Testing (CAAT) Europe, Prof. Thomas Hartung, Prof. Albrecht Wendel, Prof. Marcel Leist, Prof. Pierre Cosson, Dr. Franz Gruber und Prof. Mohammad Akbarsha in Gesprächen während des CAAT-Informationstages am 8. Juli in Konstanz.
Foto: Christiane Hohensee



Die Doerenkamp-Zbinden-Stiftung wurde vor annähernd 30 Jahren von Hildegard Doerenkamp, eine vermögende deutschstämmige Kanadierin, und dem Schweizer Toxikologen Gerhard Zbinden mit dem Ziel gegründet, unnötige Tierversuche, vor allem an Hunden (und anderen "Companion Animals") durch moderne, klinisch relevante Testsysteme zu ersetzen. Und so gelang es auch, über die Jahre insgesamt sechs Lehrstühle, anfangs in Erlangen, dann in Konstanz, Genf, Utrecht, Baltimore in Maryland, USA, und in Tiruchirappalli, einer Stadt im indischen Bundestaat Tamil Nadu zu unterstützen.

Bereits 1988 hatte Marcel Leist - damals noch Doktorand - auf Auftrag seines Doktorvaters Prof. Albrecht Wendel die ersten Apoptosevorgänge in der Petrischale untersucht, wie Prof. Wendel berichtete. Leist ist inzwischen selbst Professor und renommierter Forscher auf dem Gebiet der Entwicklung von in-vitro-Modellen für die neurodegenerative Forschung in Konstanz und vielfacher Preisträger, u.a. des Tierschutzforschungspreises des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 2015.

Die Namen Albrecht Wendel und Thomas Hartung sind eng mit der Erfindung des in-vitro-Pyrogentests verknüpft, einer definitiven Erfolgsgeschichte, denn dieser in-vitro-Test, bei dem menschliches Blut anstelle von Kaninchen zum Test auf fiebererzeugende Substanzen eingesetzt wird, kann pro Jahr in Europa 200.000 Kaninchen das Leben retten. Der Test befindet sich bereits seit 2010 als Alternativmethode zum Tierversuch im europäischen Arzneimittelbuch.

Prof. Pierre Cosson forscht am Lehrstuhl in Genf mit in-vitro-Modellen an Problemen der bakteriellen Virulenz, entwickelt Antikörper mittels des sogenannten Phagen-Displays und erforscht genetische Erkrankungen mit selbst entwickelten in-vitro-Krankheitsmodellen.

Prof. Mohammad Akbarsha hat mit seinen Mitarbeitern u.a. eine Software entwickelt, mit der Frosch- und Eidechsensektionen im Studium ersetzt werden. Hiernach sind die Wissenschaftler im ganzen Land herumgereist und haben die Kollegen in den anderen Bundestaaten von den Vorteilen der neuen Methode überzeugt.

Prof. Bas Blaauboer aus Utrecht leitet den Doerenkamp-Zbinden-Lehrstuhl in Utrecht. Sein Schwerpunkt liegt auf der Umsetzung und der Akzeptanz von tierfreien Methoden vor allem im Bereich der Risikobewertung, denn für regulatorische Zwecke werden noch immer weltweit sehr viele Tiere verbraucht. Besonderes Augenmerk liegt auch auf der Verminderung der Verwendung sogenannter "Sentineltiere" in Tierversuchen (das sind Tiere, die neben den eigentlichen Versuchen lediglich eingesetzt werden, um latent vorhandene Krankheitserreger nachzuweisen, die die Versuchsergebnisse beeinflussen könnten).

Prof. Thomas Hartung, Leiter des Johns Hopkins-Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT) an der Bloomberg School of Public Health in Baltimore und Leiter des Doerenkamp-Zbinden Chair for Evidence-based Toxicology, ist neben Prof. Leist wohl einer der bekanntesten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Ersatzverfahren zum Tierversuch: allein seine sechsjährige Leitung der europäischen Validierungsbehörde ECVAM hat zu einer Validierung von 34 Methoden geführt, wie er berichtete. 2007 hat die National Academy of Sciences (NAS) in den USA die Konzeption "Toxicity Testing and Assessment in the Twenty-first Century: A Vision and a Strategy" vorgestellt, worin die Hinwendung primär zu humanen Zellkulturen, biokinetische in silico-Modelle, und auf Toxizitätsmechanismen basierende systemische Sichtweisen anstelle des ganzheitlichen Tieransatzes empfohlen wird. Um die möglichst schnelle Umsetzung der Roadmap der amerikanischen National Academy of Sciences zu unterstützen, haben CAAT und die Doerenkamp-Zbinden-Stiftung unter Beteiligung einiger Lehrstühle zusammen den "Transatlantic Think Tank for Toxicology" (t4) eingerichtet. hier analysieren sie toxikologische Probleme und organisieren Workshops, Berichte und Reviews, um innovative Ideen zur Lösung voranzubringen. Derzeit entwickelt er mit seinen Mitarbeitern eine Software auf der Basis von 800.000 Studien, damit Hersteller schneller bereits durchgeführte Tierversuche an vergleichbaren Substanzen finden können und anstelle neuer Tierversuche auf diese verweisen können (sogenanntes Read across). Außerdem hat er die Firma Organom gegründet, um eigens entwickelte "Mini-Gehirne" im großen Stil zu züchten und für Arzneimitteltests zu vermarkten.

Eine gute Nachricht am Rande der Veranstaltung war, dass trotz Auslaufens der privaten Stiftungsförderung alle Lehrstühle in den nächsten Jahren auf eine gesicherte Finanzierung blicken können.

Weitere Informationen:
http://www.doerenkamp.ch/en/default.html?id=106
http://caat.jhsph.edu/about/index.html
https://cms.uni-konstanz.de/leist/
http://www.uu.nl/staff/BJBlaauboer
http://www.ige3.unige.ch/cosson.php
http://www.mgdcaua.org/contact.php