Der Pharmainformatiker Dr. Wolfgang Boomgaarden, hat eine Vielzahl an verfügbaren Daten zur Bioverfügbarkeit von Substanzen in Mensch und Tier analysiert und dabei festgestellt, dass viele Arzneimittel, die sich als Verkaufsschlager herausgestellt haben, wie Omeprazol, eigentlich gar nicht entwickelt worden wären, weil die Bioverfügbarkeit im Tier, das für die vorklinischen Studien herhalten muss, viel zu gering ist.

Die Entwicklung von Arzneimitteln ist ein langer Weg: Rund 12 Jahre dauert es, bis eine Substanz auf den Markt kommen kann. Der Produktion sind in silico- und in vitro-Screenings in Zell- oder Organoidkulturen, präklinische Tests an Tieren und klinische Tests an Probanden vorgeschaltet.

Mit dem Computer wird zunächst eine Vielzahl an Molekülen (bis zu 10.000) durchgeprüft, ob unter ihnen vielleicht die eine oder andere geeignete Testsubstanz dabei sein könnte. Dafür gibt es Computerprogramme, die untersuchen, ob z.B. ein Molekül in der Lage ist, an einen Zellrezeptor zu binden, oder wie es in der Theorie von Enzymen verstoffwechselt werden könnte o.ä. Dann wird die Substanz in Zellkulturen getestet, um zu sehen, wie sie sich auf bzw. in den Zellen verhält. Wenn diese Ergebnisse vielversprechend sind, erfolgen Tierversuche (regulatorische Giftigkeitsstudien). Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Feststellung, ob die Substanz in verschiedenen Tieren überhaupt bioverfügbar ist.

Unter Bioverfügbarkeit versteht man die Verfügbarkeit einer extravasal (also außerhalb der Blut- oder Lymphgefäße) verabreichten Substanz für ihre Wirkung. Es ist der Anteil, der tatsächlich den systemischen Kreislauf und damit den Wirkort erreicht. Wird eine Substanz oral aufgenommen, so wird ihre Menge in der Regel durch unvollständige Resorption der Magen- und Darmschleimhaut und einen sogenannten präsystemischen Metabolismus in der Darmschleimhaut und Leber reduziert. Letzteren Vorgang nennt man First-pass-Effekt. Die Kenntnis über das Ausmaß dieser Prozesse ist immens wichtig, um z.B. zutreffende Substanzdosis zu ermitteln und am Ende auch zu berechnen, wie häufig und in welchen Abständen eine Substanz eingenommen werden darf. In manchen Fällen wird die Substanz ganz schnell wieder ausgeschieden bevor sie den Wirkort erreichen kann. in anderen Fällen ist die (orale) Bioverfügbarkeit einfach zu gering, so dass die Substanz nicht wirken kann.

Da der Testung am Menschen eine Testung am Tier vorausgeht, muss auch im Tier eine ausreichende Bioverfügbarkeit gegeben sein. Es gibt Hersteller, die legen die Messlatte der oralen Mindest-Bioverfügbarkeit, nach der überhaupt erst mit der Entwicklung einer Substanz begonnen wird, bei 20 Prozent an (*).

Dr. Wolfgang Boomgarden hat nun in seiner jüngsten Datenbank- und Literaturrecherche festgestellt, dass diese Schwelle bei vielen Verkaufsschlagern wie Omeprazol, Aripiprazol oder Duloxetin in vielen gängigen Tierspezies unterschritten wird, während die Bioverfügbarkeit im Menschen recht hoch ist - ein klassischer Fall von Speziesunterschieden. Warum wurden diese Arzneimittel dennoch entwickelt?

Und umgekehrt: wieviel Substanzen werden aufgrund einer zu geringen Bioverfügbarkeit im Tier nicht entwickelt, obgleich sie vielleicht im Menschen gut wirksam wären?

Dr. Wolfgang Boomgaarden von PharmInformatic will mit seinem Expertensystem zu Bioverfügbarkeit genau diese Fragen im Vorfeld beantworten helfen und gleichzeitig den Einsatz von Tieren möglichst reduzieren.

Hier geht es zum Aufsatz:
http://www.pharmainformatic.com/html/blockbuster_drugs.html

* Literatur:
Veber, DF, Johnson, SR, Cheng, H-Y, Smith, BR, Ward, KW & Kopple, KD (2002): Molecular Properties That Influence the Oral Bioavailability of Drug Candidates. J. Med. Chem. 45: 2615-2623.


Omeprazol ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Protonenpumpenhemmer, der zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren sowie bei Refluxösophagitis eingesetzt wird. Die Bioverfügbarkeit im Menschen  liegt bei 35 % und steigt bei wiederholter Gabe auf 60 %.

Duloxetin ist ein Arzneimittel zur Behandlung von Depressionen und allgemeinen Angstzuständen. Die absolute orale Bioverfügbarkeit im Menschen schwankt enorm und kann je nach Patient zwischen 32 % und 80 % liegen. Grund ist ein  starker First-Pass-Effekt-Unterschied aufgrund von Geschlecht, Alter, Raucherstatus, Nahrungsaufnahme und Enzymaktivität des fremdstoffmetabolisierenden Enzyms CYP2D6.

Aripiprazol ist ein Arzneistoff zur Behandlung von Schizophrenie, von mäßigen bis schweren manischen Phasen der Bipolar-I-Störung und und zur Vorbeugung vor neuen manischen Episoden. Die orale Bioverfügbarkeit im Menschen beträgt 87%.