Embryonale Maus-Stammzellen können sehr gut im Labor gezüchtet werden, humane embryonale Stammzellen nicht. Bei seiner Ursachenforschung stieß ein deutsch-britisches Wissenschafterteam nun auf humane endogene Retroviren H (HERVH), die eine Funktion bei der Entwicklung der Pluripotenz in einem sehr frühen Stadium haben.

Pluripotente Stammzellen sind solche, die sich zu Zellen der drei Keimblätter (Ektoderm, Entoderm, Mesoderm) und der Keimbahn eines Organismus zu entwickeln können. Sie können sich zu jedem Zelltyp eines Organismus differenzieren, da sie noch auf keinerlei bestimmten Gewebetyp festgelegt sind. Embryonale Stammzellen des Menschen unterscheiden sich von embryonalen Stammzellen der Maus: sogenannte naive Stammzellen der Maus ähneln der inneren Zellmasse, aus der sich der Embryo entwickelt. Bei humanen embryonalen Zelllinien, mit denen Forscher in der Regel in den Labors arbeiten, ist das nicht der Fall.

Wie es in einer Pressemitteilung heisst, sind die Forscher Jichang Wang, Gangcai Xie und Dr. Zsuzsanna Izsvák vom Max Delbrück-Zentrum (MDC) Berlin sowie Prof. Laurence D. Hurst von der Universität Bath in England bei ihren Untersuchungen auf humane endogene Retroviren H (HERVH) gestoßen, die sich vor Millionen von Jahren in die menschliche DNA integriert haben. Dort haben sie ihre Vireneigenschaft verloren. Sie werden sie aber zu einem sehr frühen Zeitpunkt im menschlichen Embryo aktiv, indem ein Transkriptionsfaktor mit der Bezeichnung LBP9 in HERVH Gensequenzen anschaltet, die wiederum verschiedene Gene in den humanen embryonalen Stammzellen in Gang setzen, die die Zellen erst in das Stadium der Pluripotenz bringen.

Mit einem Fluoreszenz-Reportermechanismus haben sie Forscher die Zellen, die HERVH über den Faktor LBP9 anschalten, in der Petrischale grün leuchten lassen und damit die humanen Stammzellen identifiziert, die das Virus HERVH über den Transkriptionsfaktor LBP9 anschalten und daraufhin alle wichtigen Merkmale einer naiven humanen Stammzelle trugen. Wenn sie den Transkriptionsfaktor LBP9 oder das Virus HERVH in den humanen Zellen herunterschalteten, sahen sie nicht mehr wie ursprüngliche humane embryonale Stammzellen aus, sondern wie die Zelllinien, die allgemein bislang in den Labors genutzt werden.

Ihre Erkenntnisse sind für die Stammzellzüchtung von Bedeutung. Die Forscher gehen davon aus, dass HERV in der Natur in den Zellen nur kurzzeitig angeschaltet wird, denn sonst könnte sich nie ein Embryo entwickeln und Zellen ausdifferenzieren.

Der Pluripotenzmechanismus ist phylogentisch nicht konserviert und kommt in dieser Form in der Maus nicht vor, weshalb sich die Stammzellen z.B. zwischen Mensch und Maus unterscheiden.

Literatur:
Jichang Wang & Gangcai Xie &, Manvendra Singh, Avazeh T. Ghanbarian, Tamás Raskó, Attila Szvetnik, Huiqiang Cai, Daniel Besser, Alessandro Prigione, Nina V. Fuchs, Gerald G. Schumann, Wei Chen, Matthew C. Lorincz, Zoltán Ivics, Laurence D. Hurst & Zsuzsanna Izsvák (2014): Primate-specific endogenous retrovirus-driven transcription defines naive-like stem cells. Nature. doi:10.1038/nature13804

Quelle:
http://www.innovations-report.de/html/berichte/biowissenschaften-chemie/forscher-in-berlin-und-bath-identifizieren-nahezu-urspruengliche-menschliche-stammzellen.html