Freitag, 20 September 2013 07:10

Eindrücke vom European Congress for Alternatives to Animal Testing 2013

Der European Congress for Alternatives to Animal Testing fand nun schon zum 18. Male statt. Man kann also sagen, dass er auf eine fast 20jährige erfolgreiche Geschichte zurückblicken kann.


Hört man sich um bei den Machern der ersten Stunde, so hat sich dieser Kongress zu einem der Führenden auf dem Gebiet der tierversuchsfreien Methoden entwickelt. Anhand der Professionalität der Beiträge und vor allem auch der Teilnehmer lässt sich erkennen, dass die Forschung an tierversuchsfreien Methoden sich längst zu einem ernstzunehmenden Forschungszweig entwickelt hat. Gleichsam sind vor allem auch Nachwuchswissenschaftler eingeladen, auf dem Kongress ihre ersten Ergebnisse zu präsentieren. Eine Teilnahme ist im Vergleich zu anderen Kongressen und Tagungen recht kostengünstig.

Mit Rede- bzw. Posterbeiträgen aus 24 Ländern war der Kongress bei internationalen Wissenschaftlern sehr gefragt. Wie es bei den Organisatoren hieß, hätte man in diesem Jahr nicht noch mehr Posterwände aufstellen können. Unter anderem war auch ein Beitrag aus Sri Lanka zum Refinement zu hören und Posterbeteiligungen aus Thailand, Taiwan und Korea zu lesen.

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Prof. Horst Spielmann gab einen Überblick über die Entwicklung des Embryonalen Stammzelltests als Ersatzmethode in der Giftigkeitstestung.


Besonders erfreulich war die Teilnahme von ministerieller Seite: Von der Europäischen Kommission nahm Susanna Louhimies bereits zum wiederholten Male teil und berichtete über das Rahmenwerk der Working Group zur Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie im Bereich Aus- und Fortbildung sowie Projektbewertung. Dr. Katharina Kluge vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz berichtete über die Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in die deutsche Gesetzgebung.


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Von links nach rechts: Dr. Ursula Sauer, Animal welfare Consultant, Susanna Louhimies, Policy Officer bei der Europäischen Kommission, Dr. Katharina Kluge, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Dr. Norbert Alzmann, Messerli Forschungsinstitut Wien, und Dr. Mangala Gunatilake, Universität Colombo, Sri Lanka.


Dr. Katy Taylor von der britischen Tierschutzorganisation BUAV und Science Advisor bei der European Coalition to End Animal Experiments (ECEAE) thematisierte die Problematik der sogenannten Postvalidierungsphase am Beispiel der tierversuchsfreien Methoden zum Testen von Hautirritationen. Trotz der Validierung und ECVAM-Empfehlung hängt dieser Test noch in der Zustimmungsphase der Mitgliedsstaaten bzw. vor der Stufe der Aufnahme in die REACH-Gesetzestexte, obwohl sowohl die OECD als auch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) den Einsatz dieser Methode genehmigt haben.


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Dr. Katy Taylor klärt über die Problematik der Postvalidierung auf.


Dr. Robert Landsiedel
, Forschungslaborleiter bei BASF, problematisierte an anderer Stelle die Zeitspanne, die sich entwickelt, nachdem eine Methode den langwierigen Validierungsprozess durchlaufen hat bis zur tatsächlichen, verpflichtenden Aufnahme in die Testvorschriften. Die Zulassung der in der Pipeline befindlichen Testbatterie für tierversuchsfreie Tests auf Hautsensibilisierung käme erst 2017, so dass bis zur umfassenden Einsatzbereitschaft die dritte Phase der REACH-Chemikalientestung, in der alle Sensibilisierungstest gemacht werden müssen, ab 2018 bereits begonnen haben wird.

Prof. Günther Weindl vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Freien Universität Berlin stellte Ergebnisse eines Vergleichs verschiedener Hautmodelle am Beispiel der Biotransformation von Testosteron vor. Es zeigte sich, dass es zwischen kryokonservierten Hautmodellen, frischer menschlicher Haut aus z.B. kosmetischen Operationen, kommerziell erhältlichen Hautkonstrukten bestimmte Unterschiede in der Stoffwechselaktivität vorliegen.


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Christiane Hohensee im Gespräch mit Dr. Dieter Runge und Jia Jia von Primacyt.

Prof. Johannes Grillari von der Evercyte GmbH in Wien berichtete über Erkenntnisse aus der Erforschung mit künstlich hergestellten Nierenzellen. Im Vergleich zu Knock-Out-Mäusen ist das neue Modell sensitiver für Untersuchungen an Cisplatin, einer nierentoxischen Cytostatikum, das gegen Tumore eingesetzt wird, in gewissem Grad aber auch gesunde Zellen angreift. Er entwickelt seine sogenannte humane proximale Tubulus-Epithelzellkultur aus Urinproben, in denen sich immer auch Zellen von ganz bestimmten Stellen der Nierentubuli finden lassen.

Prof. Ellen Fritsche informierte das Auditorium unter anderem über Speziesunterschiede bei der Neuroentwicklung zwischen Mensch und Maus, die sie anhand ihrer Neurosphärenmodelle entdeckt hat. In den sich entwickelnden Nervenzellen verfügt die Maus über Arylhydrocarbon-Rezeptoren, die eine wichtige Funktion im Fremdstoffmetabolismus einnehmen. Der Mensch entwickelt solche Rezeptoren nicht.

Prof. Marcel Leist stellte unter anderem Ergebnisse aus Untersuchungen mit dem Neuralrohrzellen-Migrationstest vor (MINC). Bei dieser Zellentwicklung kommt es durch toxische Substanzen bei verschiedenen Spezies zu ernsthaften Entwicklungsschädigungen. Der Test ist geeignet, den sogenannten lowest observed adverse effect level zu erkennen, d.h. den ersten empfindlichen schädigenden Effekt, bevor zellschädigende Effekte auftreten. Diese Untersuchungsaspekte sind wichtig, um eine Klassifizierung von entwicklungsschädigenden Substanzen vornehmen zu können.

Dr. Tzutzuy Ramirez Hernandez von der Abteilung Alternativmethoden der BASF in Ludwigshafen stellte die aktuellen Validierungsergebnisse aus verschiedenen Labore für den YAS/YES Hefetest und andere Tests zur Detektion endokrin wirksamen Substanzen vor. Die Ergebnisse des Hefetests weisen eine hohe Reproduzierbarkeit und Übereinstimmung zwischen den Labors auf.

Interessant war auch ein Beitrag von Prof. Gerhard Püschel von der Universität Potsdam, der ein Zellkulturmodell zum Testen eines Botulinumtoxins entwickelt hat. Dafür wurden neuronale Zelllinien etabliert, die in der Lage sind, ein bestimmtes Fusionsprotein auszubilden, das in Vesikel gelenkt wird. Dieses Reporterprotein wird gemeinsam mit dem Neurotransmitter im synaptischen Spalt freigesetzt oder eben nicht, wenn das Botulinumtoxin die Freisetzung des Neurotoxins verhindert.

Die Jenaer Arbeitsgruppe um Prof. Udo Markert und André Schmidt stellte die Alternative eines Placenta-Perfusionsmodells vor, mit dem sich der Durchtritt toxischer Substanzen, wie z. B. Schwermetalle, Röntgenkontrast- oder Venenmittel durch die Placenta-Barriere untersuchen lassen. Das Modell stellt ein vollständiges humanes Organ mit natürlichem Hormon- und Immunsystem dar – wichtige Komponenten, die von Tierversuch-Befürwortern in den künstlichen Zellkultursystemen immer als fehlend kritisiert werden. Über feine Schläuche kann ein Blutkreislauf mit mütterlichem Blut simuliert werden.


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André Schmidt vom Placenta-Labor der Universität Jena erklärt Dr. Nina Hasiwa von CAAT Europe die Vorzüge des Placenta-Perfusionsmodells.

Das Organ kann sowohl einseitig, d.h. nur durch Simulation des mütterlichen Blutkreislaufs, als auch zweiseitig zur Simulation des mütterlichen und des kindlichen Kreislaufes genutzt werden. Mittels der Freisetzung von Entzündungsbotenstoffen (Cytokinen) z.B. kann das Entzündungsgeschehen als Reaktion auf die zugegebenen Substanzen untersucht werden. Es lässt sich auch untersuchen, ob Tumorzellen vom mütterlichen Kreislauf auf den kindlichen Kreislauf übertreten.

Es kann an dieser Stelle natürlich nicht alles vorgestellt werden. Insgesamt war es eine interessante Veranstaltung.