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Donnerstag, 19 April 2018 07:00

Kardiotoxizitätstestung: Schleppende Umsetzung neuer Methoden Empfehlung

In seiner ersten Ausgabe einer neuen Serie "Replacement des Jahres" bemängelt der Bundesverband Menschen für Tierrechte die schleppende Umsetzung von neuen Methoden zum Ersatz von Tierorganverbrauch in der Kardiotoxizitätstestung.


Kardiotoxizität, also die schädliche Wirkung von Arzneimitteln auf das Herz, ist der Grund für etwa ein Drittel aller wieder vom Markt genommenen neuen Arzneimittel und für das Ende vieler Wirkstoffe in der späten klinischen Entwicklungsphase. Dabei belaufen sich die Kosten für die Arzneimittelentwicklung mittlerweile auf ca. 2,6 Milliarden Dollar bei einem Produktionszeitraum von zwischen 10 und 15 Jahren.

Tests auf Kardiotoxizität für die Arzneimittelforschung und -entwicklung sind in der Richtlinie S7B der International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH) vorgegeben. Die Tests sehen eine Kombination von Tierversuchen und tierversuchsfreien Verfahren vor.  Unter anderem ist in der Vorschrift der hERG-Test beschrieben, ein Testprozedere an einem Kalziumkanal des Herzens, von dem man in den 90er jahre annahm, dass seine Hemmung scheinbar der molekulare Mechanismus der durch Arzneimittel ausgelösten Herzrhythmusstörungen darstellt. Inzwischen ist jedoch bekannt, dass sich eine Verlängerung des Aktionspotenzials sowohl aus einer verminderten Inaktivierung der einwärts gerichteten Na+- oder Ca2+-Ströme, einer verstärkten Aktivierung des Ca2+-Stromes oder der Hemmung eines oder mehrerer der auswärts gerichteten K+-Ströme ergeben kann. Die ausschließliche Messung von hERG kann zu falschen Ergebnissen führen. Des Weiteren werden Herzgewebe und ganze Herzen von Kaninchen verwendet, obwohl Wissenschaftler aus verschiedenen Gründen die Verwendung des sogenannten Langendorff-Herzes kritisieren.

Neue Broschüre thematisiert Kardiotoxizität in der Arzneimittelforschung.
Foto: Menschen für Tierrechte.


Wissenschaftler haben in den letzten Jahren hochmoderne Kardiotoxizitätstests mit menschlichen Herzzellen aus Stammzellen auf Chiptechnologien entwickelt. Die Verfahren sind vielfach in Validierungsstudien mit der Industrie erprobt worden und sogar für die kosmetische Industrie oder für Chemikalientests einsetzbar.

Die USA haben mit der CiPA-Initiative(1) eine neue Teststrategie entwickelt und diese neuen Methoden integriert. Doch eine Aufnahme in die Prüfvorschriften verzögert sich immer weiter. Die Industrie wendet daher die veralteten Tests nachweislich (2) weiter an.

Mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit will die Tierrechtsorganisation auf diese Missstände aufmerksam machen und fordert eine schnelle Aufnahme der neuen humanspezifischen Methoden in die Richtlinien.

1 Initiative Comprehensive In Vitro Proarrhythmia Assay (CiPA) der Food and Drug Administration. http://cipaproject.org/about-cipa/

2 Authier, S., Pugsley, M. K., Koerner, J. E., Fermini, B., Redfern, W. S., Valentin, J.-P., Vargas, H. M., Leishman, D. J., Correll, K. and Curtis, M. J. (2017). Proarrhythmia liability assessment and the comprehensive in vitro Proarrhythmia Assay (CiPA): An industry survey on current practice. Journal of Pharmacological and Toxicological Methods 86, pp. 34–43.

Quelle:
http://www.tierrechte.de/presse-a-magazin/pressemitteilungen/2018-04-18-07-21-08