Montag, 14 März 2016 16:27

CAAT kartiert gefährliche Chemikalien Empfehlung

Das europäische REACh-Projekt (REACh= Registration, Evaluation, Authorization and Restriction of Chemicals) hat dazu geführt, dass Unmengen an Informationen über Chemikalien und ihre Eigenschaften gesammelt worden sind. Das Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT) an der Johns Hopkins University in Baltimore will nun diese Daten kartieren, um sie zukünftigen Herstellern und Importeuren zugänglich zu machen mit dem Ziel, Tierversuche einsparen zu können.

Es ist eine sinnvolle Idee, die bereits vorhandenen Informationen so nutzbar zu machen, dass die Daten mit bislang noch unbekannten Chemikalien verglichen werden können, um im Vorfeld festzustellen, ob sie gefährend sind. So könnte man sich die Produktion und damit auch unzählige Tierversuche ersparen - auch außerhalb Europas. Rund 90 Prozent der geschätzten 100.000 Chemikalien, die auf dem Markt sind, sollen garnicht auf eine mögliche Gesundheitsgefährung getestet sein.

Bereits im Dezember 2014 haben amerikanische Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Thomas Hartung annähernd chemische Substanzen kartiert, mehr als 3.600 Beschreibungen eingegeben und mehr als 800.000 Studien dokumentiert. Es soll die weltweit größte Datenbank dieser Art überhaupt werden. Dafür wurde ein spezielles Computerprogramm entwickelt. Informationsgrundlage sind die Dossiers, die im Rahmen des Zulassungsverfahrens bei der europäischen Chemikalienagentur ECHA eingereicht worden sind. Eine neue Substanz wird in das Computerprogramm eingegeben und dieses vergleicht mit der Datenbank und sucht nach toxikologischen Ähnlichkeiten, die auf eine Gefährdung hinweisen können.

Prof. Hartung würde die Datenbank gerne öffentlich verfügbar machen, sieht sich aber auch rechtlichen, gesetzgeberischen und logistischen Hürden ausgesetzt. Da die Chemiekonzerne Eigentümer der Chemikalien sind, fürchtet die ECHA mögliche Wettbewerbsprobleme durch eine Veröffentlichung der Daten. Es sei auch nicht klar gewesen, dass das gesamte Datenset von der ECHA-Plattform heruntergeladen würden. Bei CAAT-Europe zeigt man sich dazu irritiert: Es seien nur Informationen heruntergeladen worden, die auch öffentlich zugänglich seien. Wenn es sensible Daten gewesen sein sollten - Weshalb hat die ECHA sie öffentlich zugänglich gemacht? Im Normalfall seien die Daten auf der ECHA- Plattform jedoch für den Laien nicht zugänglich, denn es benötigt einiges an technischem Know-how und Kenntnissen, um da heranzukommen.

Die Idee baut die Konzeption des sogenannten "Read Across" gemäß Anhang XI, Abschnitt 1.5 der REACH-Verordnung weiter aus. Beim Read Across, einer rechtlich zulässigen Methode im Rahmen des europäischen Registrierungverfahrens können Hersteller und Importeure auf bereits erhobene Daten eines anderen Registranten verweisen und somit auf die Durchführung von Tierversuchen verzichten. (Art. 25, Abs. 1 der REACh-Verordnung: "Um Tierversuche zu vermeiden, dürfen Wirbeltierversuche für die Zwecke dieser Verordnung nur als letztes Mittel durchgeführt werden. Außerdem ist es erforderlich, Maßnahmen zur Begrenzung der Mehrfachdurchführung anderer Versuche zu ergreifen").

In der REACh-Verordnung berühren zwei Abschnitt die Wettbewerbsinteressen. In Erwägungsgrund 48 heißt es: "Diese Verordnung sollte der uneingeschränkten und umfassenden Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln nicht entgegenstehen". Und in Art. 25 Abs. 2 der REACh-Verordnung: "Die gemeinsame Nutzung und die gemeinsame Einreichung von Informationen gemäß dieser Verordnung betreffen technische Daten und insbesondere Informationen über die inhärenten Eigenschaften von Stoffen. Die Registranten tauschen keine Informationen über ihr Marktverhalten, insbesondere über Produktionskapazitäten, Produktions- oder Verkaufsvolumina, Einfuhrmengen oder Marktanteile, aus". Produktionsmengen und Marktverhalten dürften jedoch nicht notwendig sein, um toxische Stoffeigenschaften miteinander zu vergleichen.

Prof. Hartung verhandelt derweil sowohl mit der EU als auch mit den Herstellern darüber, welche Daten nun öffentlich sind und welche zu
dem Teil gehören sollten, die nur für die Registranten zugänglich sein sollen. Eine ähnliche Datenbank soll auch in den USA errichtet werden, schrieb die Washington Post kürzlich.

Die Forscher haben die Datenbank im Journal ALTEX vorgestellt:
Thomas Luechtefeld, Alexandra Maertens, Daniel P. Russo, Costanza Rovida, Hao Zhu & Thomas Hartung (2016): Global Analysis of Publicly Available Safety Data for 9,801 Substances Registered under REACH from 2008 - 2014. ALTEX Online First. http://dx.doi.org/10.14573/altex.1510052

Quellen:
https://www.washingtonpost.com/news/speaking-of-science/wp/2016/03/01/how-this-map-of-chemicals-could-help-reduce-animal-testing/
http://www.rsc.org/chemistryworld/2016/02/chemicals-database-safety-animal-testing
http://scienceblogs.com/thepumphandle/2016/03/03/new-chemical-mapping-technique-could-help-fill-big-gaps-in-safety-knowledge/
http://www.altex.ch/resources/epub_Luechtefeld_of_160211_1.pdf

Read Across: Stoffgruppen und -analogiekonzept
http://echa.europa.eu/de/support/grouping-of-substances-and-read-across
http://echa.europa.eu/documents/10162/13655/pg_report_readacross_en.pdf

REACh-Verordnung:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2006R1907:20121009:DE:PDF