Montag, 08 Februar 2016 15:21

Havard-Patientenstudie: Schizophrenie ist auf Genvarianten und einen biologischen Prozess zurückzuführen Empfehlung

Wissenschaftler der Harvard Medical School in Boston haben rund 65.000 Patienten hinsichtlich ihres Risikos, an Schizophrenie zu erkranken, genetisch untersucht.

Sie fanden heraus, dass ein Gen mit dem Namen Complement Component 4 nicht nur im Immunsystem eine wichtige Rolle spielt, sondern auch bei der Entwicklung des Gehirns und ein Risikogen für die Entwicklung von Schizophrenie darstellt, schreiben die Harvard Forscher um Steven McCaroll vom Broad Institute´s Stanley Center for Psychiatric Research and Boston Children’s.

Die Forscher identifizierten mehr als 100 Genomregionen, die Risikofaktoren für Schizophrenie sein können. Dafür haben sie in den letzten 5 Jahren rund 100.000 DNA-Proben aus 30 verschiedenen Ländern von Probanden mit und ohne Schizophrenie untersucht. Die jetzt in Nature publizierte Studie bietet einen Einblick in spezifische Genregionen, die am stärksten für einen solchen Ausbruch verantwortlich sein sollen. Gleichzeitig sind die Regionen ein Anknüpfungspunkt für biologische Prozesse im Gehirn, die bislang noch unverstanden waren, weil man die Krankheit weder in Zellkulturen noch im Tier modellieren konnte, so Steve McCarroll, Laborleiter am Stanley Center des Broad Institute von MIT und Harvard in Boston.

Das deutlichste Signal befindet sich auf Chromosom 6 in einer Region, die mit Infektionskrankheiten assoziiert ist. Daher nehmen einige Wissenschaftler an, dass Schizophrenie ursprünglich durch einen Infektionserreger ausgelöst werden könnte. Sie wußten jedoch nicht, welches der Hunderten von Gen in der Region verantwortlich ist. Auf der Grundlage dieser Analysen fanden McCarroll und Sekar nun einen Bereich, der das C4 Gen umfasst. Im Gegensatz zu vielen anderen Genen liegt hier eine starke Genvariation vor, bei der viele Menschen eine unterschiedliche Anzahl an Genkopien und auch verschiedene Typen dieses Gens aufweisen.

Deshalb können einige Menschen erkranken und andere nicht. Die Forscher entwickelten zunächst an 700 Proben verstorbener Patienten eine neue molekulare Methode, um die C4-genstruktur in den Proben zu charakterisieren. Damit konnten sie anhand der Genstruktur bereits die genaktivität vorhersagen. Diese Vorhersage war in den 65.000 Proben von Probanden zuverlässig. Wie erwartet hatten Probanden mit einer speziellen Form des C4-Gens eine höhere Genexpression und damit ein höheres Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. Sie ermittelten, dass C4 eine wichtige Rolle beim Abbau von Synapsen während der Reifung des Gehirns spielt. C4 ist auch wichtig für das Protein C3, das Synapsen dahingehend markiert, bald abgebaut zu werden. Je mehr C4 vorhanden ist, desto mehr Synapsen werden während der Reifung des Gehirns abgebaut, was man auch daran erkennen kann, dass Schizophreniepatienten über einen dünneren cerebralen Cortex verfügen, so schreiben die Wissenschaftler.

Die Befunde könnten möglicherweise in ferner Zukunft einmal dabei helfen, Therapien zu entwickeln, die den übermäßigen Abbau synaptischer Verbindungen in Patienten reduzieren, die frühe Symptome von Schizophrenie zeigen.

Originalliteratur:
Aswin Sekar, Allison R. Bialas, Heather de Rivera et al. (2016): Schizophrenia risk from complex variation of complement component 4. Nature 16549, doi:10.1038.

Quellen:
http://hms.harvard.edu/news/biological-origin-schizophrenia
https://www.broadinstitute.org/news/7824
https://www.broadinstitute.org/bios/steve-mccarroll