Diese Seite drucken
Artikel bewerten
(3 Stimmen)
Donnerstag, 18 Juni 2015 14:06

Botulinumtoxin: Das hoffentliche Ende des LD50-Test Empfehlung

Anlässlich des europäischen Botox-Aktionstages machen europäische Tierrechtsorganisationen in vielfältigen Aktionen auf der Leid von Versuchstieren im sogenannten LD50-Tests aufmerksam und fordern die Abschaffung dieses Tests durch Ersatz von tierversuchsfreien Methoden. InVitroJobs interviewte den Potsdamer Wissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Püschel, der einen solchen tierversuchsfreien Test entwickelt hat und seine Erkenntnisse am Ende Dritten zur Verfügung stellen will. Es ist für alle Serotypen nutzbar.

Das sogenannte Botulinum Neurotoxin (BoNT) wird von dem Bakterium Clostridium botulinum produziert. Es ist das stärkste bekannte Nervengift: Bereits 1 ng/kg Körpergewicht können einen Menschen töten. In geringsten Mengen injiziert kann es dem Menschen jedoch auch nutzen: Nach einer Injektion führt es aufgrund der Hemmung der Erregungsübertragung von den Nervenzellen zu den Muskeln zu einer Lähmung. BoNT hat daher in zunehmendem Maße vielfältige medizinische Indikationsgebiete. Zudem wird Botox in chirurgisch-ästhetischen Behandlungen zur Faltenentfernung eingesetzt. Auch wenn es keine konkreten Zahlen dazu gibt, schätzen Wissenschaftler, dass BoNT hauptsächlich zur Faltenkorrektur eingesetzt wird.

 


Abb.: Eine Nervenzelllinie wird genetisch verändert, wodurch bei der Produktion von Vesikelproteinen durch die Zelle immer automatisch ein Reporterenzym angehängt wird, dessen Gegenwart man durch das Entstehen von Lichtblitzen nachweisen kann (Luciferase). Diese Vesikelproteine mit dem Reporterenzym werden gleichzeitig mit dem Neurotransmitter bei der Stimulation der Nervenzelle freigesetzt, wenn der Neurotransmitter-haltige Vesikel mit der Plasmamembran verschmilzt.


Aufgrund der toxischen Wirkung muss gemäß des Europäischen Arzneibuchs jede Charge jedes Herstellers einzeln überprüft werden. Dafür wird in Europa noch immer zum großen Teil der LD-50-Test an Mäusen durchgeführt. Die Chargen werden dabei jeweils an mindestens 100 Mäusen getestet. Bei den äußerst schmerzhaften Versuchen (LD50-Tests) wird Mäusen das Nervengift in die Bauchhöhle gespritzt, um die Giftkonzentration zu ermitteln, bei der 50 Prozent der Tiere versterben. Der Test ist sehr qualvoll, nach Krämpfen, Lähmungen und Erblinden der Tiere kommt es nach drei bis vier Tagen zum Erstickungstod durch Lähmung des Atemzentrums. Einer kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/die Grüne im Bundestag ergab, dass im Jahr 2014 21.801 Mäuse allein in Deutschland auf diese Weise verbraucht worden sind. Weltweit sind es jährlich rund 300.000 Mäuse. Es ist verständlich, dass tierliebende Bürger für diese Art von Schönheitskorrektur weltweit seit Jahren einen Ersatz zum qualvollen Mäuseversuch einfordert.


„… ein funktioneller Test, der für alle Typen von Botulinumtoxin gleichermaßen geeignet sein sollte…“

Der Biochemiker Prof. Dr. Gerhard Püschel, Leiter des Lehrstuhls für Biochemie der Ernährung der Universität Potsdam, hat gemeinsam mit seinen Mitarbeitern ein aussagekräftiges Verfahren zum Test des Botulinumtoxins entwickelt. Da dieser Test im Gegensatz zu früheren Entwicklungen (siehe unten) nicht auf einem immunologischen, molekülspezifischen Schlüssel-Schloss-Prinzip beruht, sollte er jeden Serotyp detektieren können.

Hierfür wurde zunächst eine Nervenzelllinie genetisch verändert, wodurch bei der Produktion von Vesikelproteinen durch die Zelle immer automatisch ein Reporterenzym angehängt wird, dessen Gegenwart man durch das Entstehen von Lichtblitzen nachweisen kann (Luciferase). Diese Vesikelproteine mit dem Reporterenzym werden gleichzeitig mit dem Neurotransmitter bei der Stimulation der Nervenzelle freigesetzt, wenn der Neurotransmitter-haltige Vesikel mit der Plasmamembran verschmilzt. Aktives Botulinumtoxin hemmt die Verschmelzung der Vesikel mit der Plasmamembran. Daher wird die Freisetzung des Reporterenzyms im gleichen Maße, wie die Freisetzung des Neurotransmitters gehemmt. Dadurch lässt sich auch die Konzentration des Toxins ermitteln. Wird nun durch die Wirkung des Botulinumtoxins weniger Reporterenzym aus den Zellen freigesetzt, so würde im Rückschluss auch weniger Neurotransmitter freigesetzt - die Nervenreizweiterleitung an die Muskulatur wäre beeinträchtigt.

InVitroJobs befragte Prof. Püschel wie es dazu kam, diesen Test zu entwickeln und was das Besondere an diesem Verfahren ist.

InVitroJobs: Sie sind Professor im Institut für Ernährungswissenschaften: wie kam es dazu, dass Sie sich mit der Entwicklung einer Botulinumtoxin-Alternative zum Tierversuch beschäftigt haben. Der Anwendungsbereich von Botox liegt doch eher in der  Kosmetik/ Faltenunterspritzung und in der Medizin?

Prof. Püschel: Das Projekt hat sich zufällig aus einem ganz anderen Projekt unserer Arbeitsgruppe entwickelt. Bei diesem Projekt ging es darum, ob die Aktivität von Nervenzellen durch Insulin reguliert wird und ob lokal wirksame Entzündungsmediatoren die Insulinwirkung an Nervenzellen beeinflussen können. Auf der Suche nach einem geeigneten Modellsystem kam ich auf die Idee, die Freisetzung des Neurotransmitters aus den synaptischen Vesikeln anhand eines in diese Vesikel eingeschleusten "Reporterenzyms" leicht messbar zu machen. Zufällig zeitgleich mit dieser Idee habe ich einen Artikel über die Notwendigkeit, neue Testverfahren für Botulinumtoxin zu entwickeln, gelesen und erkannt, dass neuronale Zellen mit einem solchen Reporterenzym dafür geeignet sein müssten, die Botulinumtoxin-Aktivität zu messen. Die großzügige Förderung durch die Stiftung SET hat es uns dann ermöglicht, dieses eigentlich nicht zu unserem Kernthema gehörende Projekt erfolgreich umzusetzen. Es ist an dieser Stelle aber wichtig zu betonen, dass wir noch kein validiertes Ersatzverfahren entwickelt haben, sondern lediglich den Nachweis erbracht haben, dass man mit den von uns etablierten Zelllinien Botulinumtoxin in sehr niedriger Konzentration quantitativ nachweisen kann.

InVitroJobs: Ist das Verfahren auch im Bereich der Lebensmittelsicherheit einsetzbar?

Prof. Püschel: Im Prinzip ja. Das Problem ist die komplexe Matrix eines Lebensmittels, aus der das Toxin extrahiert werden muss, bevor man den Test durchführen kann. Da sind andere Verfahren, die lediglich das Botulinumtoxin-Protein und nicht dessen Aktivität messen, weniger störanfällig.

InVitroJobs: Es gibt ja schon einige wenige Entwicklungen zum Ersatz des Tierversuchs bei der Chargenprüfung von Botox-Medizin bzw. Kosmetika (Faltenunterspritzung). Weshalb brauchte man noch einen weiteren Test? Was war Ihr Interesse?

Prof. Püschel: Es gibt verschiedene Gründe. Fangen wir mit den wissenschaftlichen Gründen an: (1) Die meisten in-Vitro-Verfahren testen nur Teilaktivitäten des Botulinumtoxins, so z. B. die auf der kleinen Untereinheit des Proteins lokalisierte Proteaseaktivität. Unser Verfahren testet die Aktivität der großen, für die Aufnahme in die Zelle verantwortlichen, und der kleinen, enzymatisch aktiven Untereinheit. (2) Es gibt mehrere Typen von Botulinumtoxinen, die unterschiedliche Proteine der Nervenzellen angreifen. Das derzeit einzige anerkannte Verfahren von Allergan basiert auf dem immunologischen Nachweis eines Spaltprodukts eines durch Botulimumtoxin zerstörten Proteins in neuronalen Zellen. Es testet die Aktivität beider Untereinheiten, es ist aber nur für einen Typ von Botulinumtoxin spezifisch. Unser Testverfahren testet ein Surrogat für die Neurotransmitterfreisetzung, ist also ein funktioneller Test, der für alle Typen von Botulinumtoxin gleichermaßen geeignet sein sollte, wobei es sein kann, dass unterschiedliche Zelllinien unterschiedlich empfindlich für die unterschiedlichen Serotypen sind.
Daneben gibt es "politische" Gründe. Die Firmen lassen ihre Verfahren patentieren und geben sie nicht für die Nutzung durch die Konkurrenz frei. Unser Verfahren soll für jedermann frei verfügbar sein.

InvitroJobs: Wie weit ist es mit dem Anerkennungsverfahren Ihres Tests?

Prof. Püschel: Bisher haben wir nur den "Proof of Principle" (Anm.: der Machbarkeitsnachweis ist erbracht, der Prototyp des Tests liegt vor) erbracht. Eine Validierung würden wir jetzt gerne angehen, haben dafür aber derzeit keine finanziellen Mittel.

InVitroJobs: Mit welcher Argumentation hat man eine Finanzierung ihres Verfahrens abgelehnt?

Prof. Püschel: Bisher haben wir keine Ablehnung sondern nur keine Zusage. Eine weitere Förderung durch die Stiftung SET war leider nicht möglich, da wir jetzt an einem Punkt angelangt sind, bei dem es um die Entwicklung eines anwendungsreifen Tests geht. Das ist nicht Ziel der Förderung durch die Stiftung. Vielmehr ist das nun ein FuE  Projekt, das idealerweise in Kooperation mit einem Unternehmen erfolgen muss. Unser Problem ist dabei, dass wir noch zu weit von einem marktreifen Produkt entfernt sind, als dass sich ein kleines Unternehmen das Entwicklungsrisiko leisten könnte und schon zu nah an einem marktreifen Produkt dran sind, als dass wir uns um Fördermittel für die Grundlagenforschung bewerben könnten.

InVitroJobs: Weshalb springen Firmen nicht automatisch darauf an, mit ihnen zusammen das Validierungsverfahren durchzuführen? Das müsste doch in deren Interesse sein, tierethisch unbedenkliche Kosmetika verkaufen zu können?

Prof. Püschel: Zunächst muss man richtig stellen, Botulinumtoxin ist kein Kosmetikum sondern ein Arzneimittel. Ein bedeutender Hersteller von Botulinumtoxin hat uns seine Zusammenarbeit bei der Validierung des Tests zugesagt und wird uns verschiedene Proben zur Kalibrierung unseres Tests an LD50-Daten zur Verfügung stellen.

InVitroJobs: Es ist sehr weitsichtig von Ihnen, dass Sie Ihre Entwicklung allgemein zur Verfügung stellen wollen. Bislang haperte der Ersatz des LD50-Mäuseversuchs für die Chargen- und Stabilitätsprüfung u.a. auch an den Patentrechten von Allergan, und andere Entwickler wollen auch ein Patent einreichen. Das bedeutet, die Umsetzung des Tierschutzes, wie er in der europäischen Tierversuchsrichtlinie 63/2010/EU gefordert wird, könnte im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen und mangelnder Förderung innovativer Alternativenentwicklungen zum Tierversuch zerrieben oder zumindest auf die lange Bank geschoben werden.

Prof. Püschel: Wir haben von Anfang an keine wirtschaftlichen Interessen mit unserem Projekt verfolgt. Es ist sicher auch eine der Aufgaben universitärer Forschung, Erkenntnisse zur Nutzung durch Dritte frei zur Verfügung zu stellen, auch wenn der Druck auf uns, die wirtschaftliche Nutzbarkeit zu prüfen, immer größer wird.

InVitroJobs: Wir danken Ihnen für das Gespräch.


Botox-Testung - Rückblick

Als erstes hat der amerikanische Hersteller Allergan ein Ersatzverfahren zum Tierversuch eingeführt, mit dem er 95 Prozent seiner Mäuseversuche für die Chargenprüfung ersetzen wollte. Der Test besteht aus drei Bestandteilen (siehe unten) und wurde bereits im Juni 2011 bei der amerikanischen FDA (Food and Drug Administration) zugelassen. Im Februar 2012 wurde der Test auch bei der BfARM und damit in Europa* zugelassen. Allerdings gilt dieses Verfahren nur die die Hersteller-eigenen Produkte BOTOX® (Onabotulinumtoxin A) und BOTOX® Cosmetic. Von Entwicklungskosten in Höhe von rund 65 Millionen Dollar war die Rede.

* Die BfArM ist hier Stellvertreter für die anderen europäischen Mitgliedstaaten. Ein Hersteller kann eine Prüfbehörde im europäischen Land seiner Wahl mit der Zulassungsprüfung betrauen. In diesem Fall wie auch im Falle des Herstellers Merz ist das das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Das BfArM ist Schriftführer und erstellt einen Report. Hierzu können die übrigen europäischen Mitgliedsstaaten Stellung nehmen. Bei einem letztlichen positiven Bescheid müssen auch die übrigen europäischen Länder die Zulassung des Verfahrens gewähren. Das Verfahren wird in das europäische Arzneimittelbuch (Pharmakopeia) aufgenommen.

Im Dezember 2012 veröffentlichte Allergan in einer Open Source-Publikation ihr neues Verfahren (Fernandez-Salaz et al. 2012). Es besteht im Wesentlichen aus drei Testbestandteilen: aus einer humanspezifischen Zellkultur, einem detektierenden Antikörper und einer sogenannten Sandwich-Elisa-Technik, mit der man den gebundenen Antikörper erkennen und quantifizieren kann. Das Verfahren ist patentiert (US 2010/0233802 A1, US 8,198,034 B2). Ein Mitbewerber wie Merz kann jedoch nicht einfach den In-vitro-Test von Allergan übernehmen: Es gibt eine Vielzahl an Botulinumtoxinen - genannt „Serotypen“, für jeden Serotyp muss eine In-vitro-Methode speziell entwickelt und angepasst werden.

Die Mitbewerber Merz und Ipsen schlossen sich zusammen, um ein eigenes Verfahren zu entwickeln. Das Problem bei der Entwicklung eines Ersatzverfahrens liegt nicht nur in einem speziellen Serotyp des BoNT, sondern auch in der Zusammensetzung der Chemikalien des Endprodukts. Mittlerweile hat Merz für sein Produkt IncoBotulinumtoxinA (Xeomin®) ein eigenes Verfahren entwickelt und bei der Zulassungsbehörde BfArM eingereicht. Bis Ende des Jahres soll es zu einer Entscheidung über die Zulassung kommen. Auch dieser Hersteller beabsichtigt, ein Patent anzumelden. Ipsen hatte bereits im November 2013 verlautbaren lassen, dass das Unternehmen ab Ende 2014 kleine Botox-Testung an Tieren mehr durchführen wollte.

Clostridium botulinum
Das grampositive Bakterium Clostridium botulinum ist das potenteste Nerventoxin im Menschen überhaupt: Die tödliche Dosis bei Inhalation beträgt 50 bis 100 Pikogramm (5-10x10-8 Gramm) oder wenige Mikrogramm, wenn es oral aufgenommen wird (Ferraci et al. 2005).
Für medizinische Botox-Produkte ist der LD50 Maus-Bioassay in der Europäischen Pharmakopöe,  vorgeschrieben (Dressler et al. 2008). Zudem sind drei Ersatzmethoden zum LD50-Test bereits seit 2006 in die Europäischen Pharmakopöe mit dem Vermerk - vorbehaltlich ihrer Validierung als bevorzugt einzusetzen – aufgenommen worden (Bitz 2010). Die Durchführung eines Validierungsprozesses ist nicht bekannt. Beim LD50 Maus -Bioassay wird den Mäusen das gelöste Toxin in die Bauchhöhle (intraperitoneal) oder intravenös gespritzt und Anzeichen der Vergiftung beobachtet. Die Tiere sterben qualvoll einen Atemlähmungstod nach 3 oder 4 Tagen. Bislang wurde dieser Test als sogenannter „Goldstandard“ bezeichnet, um das Toxin zu detektieren. Er ist aber sehr stark fehlerbehaftet (20 – 40 %, je nach Labor). Auch nach einer Standardisierung des Protokolls lag der Fehler noch bei ungefähr 15 % (Serdardic 2003, in Pellet 2013). Unabhängig von den ethisch inakzeptablen Tierqualen braucht dieser Test sehr viele Tiere und ist auch sehr teuer wegen der Notwendigkeit, eine Tiere zu halten. Auch muss das Personal gut geschult sein. Somit tut es not, eine humanspezifische Methode als Ersatz zum Tierversuch zu nutzen.

Das Botulinumtoxin
Es gibt sieben sogenannte Serotypen des Botulinumtoxins, die strukturell ähnlich aufgebaut sind. Innerhalb dieser Serotypen gibt es noch jeweils Subtypen, auf die eine unterschiedliche Immunantwort des Patienten erfolgen kann (Yasushia et al. 2008). Die genetischen und strukturellen Unterschiede betragen den Serotypen bis zu 70 % und innerhalb der Subtypen bis 32 % (Pellet 2013). In der Natur besteht ein Proteinkomplex je nach Serotyp aus verschiedenen Bestandteilen: der Serotyp A hat ein Molekülgewicht von 900 kDa durch vier Hämagglutinine und einem zusätzlichen Proteinteil von 120 kDa, das die Verbindung zwischen dem eigentlichen Neurotoxin und den verschiedenen Hämagglutininen darstellt. Die stabilisierenden Proteine erhöhen die Toxizität bei oraler Aufnahme, da das eigentliche Toxin vor Verdauung durch den Magen-Darm-Trakt geschützt wird. Unter sauren Bedingungen ist der Komplex stabil, wenn der pH jedoch über 7 steigt, wird das geschützte Toxin freigesetzt (Bigalke 2009).

Das eigentliche Toxinmolekül bestehen aus einer sogenannten „schweren“ und einer „leichten Kette“, die über eine Disulfidbrücke (Schwefelatome) miteinander verbunden sind. Molekülgewichte werden in Kilo-Dalton (kDa) angegeben, der schwere Teil hat doppelt so viel Molekülgewicht (100 kDa) wie der leichte (50 kDa). Der schwerere Molekülteil vermittelt die Bindung des Toxins an die spezielle Bindungsstelle der Nervenzelle, wodurch die leichte Kette in das Cytoplasma der Nervenzelle aufgenommen wird (Ferracci et al 2005). Der leichtere Molekülteil ist ein Enzym – eine Endopeptidase mit einem Zinkatom im aktiven Zentrum – und kann ein bestimmtes Protein zerschneiden. Nervenimpulse werden am Ende einer Nervenzelle zur nächsten mit einem chemischen Botenstoff, dem Acetylcholin, übertragen. Innerhalb der Überträgerzelle wird dieser Stoff in kleinen Bläschen (Vesikel) zur Außenhülle der Nervenzelle, der Membran transportiert. Um nun nach außen freigesetzt zu werden, ist die Verschmelzung des Transportvesikels mit der Membran nötig. Damit das klappt, gibt es in den Nervenzellen ein bestimmtes Protein – SNARE genannt, das aus drei Teilen besteht. Der für diese Aufgabe wichtige Proteinteil heißt SNAP-25. Er ist Angriffspunkt für die Endopeptidase des Botulinumtoxins und wird von ihr in zwei Teile zerschnitten. Snap-25 wird damit um 19 Basenpaare von 216 auf 197 abgekürzt und kann seine Funktion nicht mehr erfüllen. Die Folge ist, dass dasVesikel nicht mehr mit der präsynaptischen Membran verschmilzt und damit den Botenstoff Acetylcholin nicht mehr in die Lücke zwischen der Überträgernervenzelle und der nächsten Empfängernervenzelle, abgeben kann. Der Nervenimpuls kann nicht mehr weitergeleitet werden und es kommt zu einer Muskellähmung. Da auch die Atmung von dieser Art Muskeln betrieben wird, kann es zum Atemstillstand und damit zum Tod kommen. Auch wenn Wissenschaftler daran forschen – es gibt kein Gegenmittel gegen diese Art von Vergiftung. Keller, Cai & Neale (2004) berichten z. B. ausführlich, wie das Botox-Neurotoxin A (und Serotyp E) die Neurotransmitter-Freisetzung blockiert.
Gegen die Begleitproteine (Hämagglutinine) entwickeln 40 bis 60 % der Patienten Antikörper (Bigalke 2009). Über solcher Art Immunreaktionen haben auch andere Wissenschaftler berichtet (z. B. Zouhair Atassi 2009), sie werden daher bei der Entwicklung eines Ersatzverfahrens zum Tierversuch mit berücksichtigt bzw. es ist hierfür ein extra Testsystem zu entwickeln (Pellett 2013).
Auch die Entwickler von Allergan haben verschiedene Methoden ausprobiert und weiter entwickelt. 2008 publizierten sie ein Verfahren mit dem Zelltyp Neuro-2a, eine Neuroblastomzelllinie von Mäusen, die aber inzwischen als unempfindlich gegen Botulinumtoxine angesehen wird (Pellett 2013). Ferner publizierten sie den Einsatz eines Antikörpers zur Markierung der „Schnittstelle“ des SNAP-25-Proteins und detektierten das Protein mit einer bestimmten Methode (Westernblot-Methode, Fernandez-Salaz et al. 2008).



Literatur und Quellen:

Website des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Potsdam: http://uni-potsdam.de/u/ewi/BCE/Forschung%20BCE/ForschungsseitenEntwurf_Projekt3_improved.html

Bigalke, H. (2009): Properties of Pharmaceutical Products of Botulinum Neurotoxins. In:  Botulinum Toxin – therapeutic Clinical Practice and Science. Hrsg. Jankovic, J., Albanese, A. & Zouhair Atassi, M. et al., Kap. 32: 389-397.

Bitz, S. (2010): The botulinum Neurotoxin LD50 Test – Problems and Solutions. ALTEX 27/2: 114-116.

Dressler, D., Mander, G. J. & Fink, K. (2008): Equivalent potency of Xeomin® and BOTOX®. Toxicon 51 (Suppl. 1).

Fernandez-Salas, E., Wang, J., Molina, Y., Nelson, J. B. & Jacky, B. P. S. (2012): Botulinum Neurotoxin Serotype a Specific Cell-Based Potency Assay to Replace the mouse Bioassay. PLoS ONE 7(11): e49516.

Ferracci, G., Miquelis, R., Kozaki, S., Seagar, M. & Lévéque, C. (2005): Synaptic vesicle chips to assay botulinum neurotoxins. Biochem. J. 391: 659-666.

Keller, J. E., Cai, F. & Neale, E. A. (2004): Uptake of Botulinum Neurotoxin into Cultured Neurons. Biochemistry 43: 526-532.

Pellett, S. (2013): Progress in Cell Based Assays for Botulinum Neurotoxin Detection. Curr. Top Microbiol. Immunol. 364: 257-285.

Yasushia, T., Yoshitakaa, G., Satomia, M., Shinjia, N., Tetsuhiroa, H., Akihiroa, G. & Shunjib, K. (2008): efficacy of botulinum neurotoxin subtype A2 in rats producing neutralizing antibody against botulinum neurotoxin subtype A1. Toxicon 51 (Suppl. 1).