Freitag, 12 September 2014 19:45

Regenerative Medizin als wissenschaftlicher Weg einer tierversuchsfreien Forschung

Regenerative Medizin (Zell- und Gewebeersatztherapie) basiert auf Stammzellforschung, die eine zellbiologische Forschungsmethode darstellt und vom Ansatz prinzipiell nicht auf Tierversuche angewiesen ist.

Stammzellen sind die eigentlichen Träger der Bildung und in der Regel auch des Wachstums sowie der Erneuerung (Regeneration) von Geweben und Organen. Ein wichtiges Ziel der Erforschung von Stammzellen besteht darin, zu verstehen, auf welche Weise und unter welchen Bedingungen Stammzellen beschädigtes oder altes Gewebe in Organen ersetzen (können).Die Hoffnung ist, dass sich Stammzellen auf der Grundlage dieses Wissens therapeutisch zur Heilung von Organen, die normalerweise nicht regenerieren (z.B. Herz, Nervensystem), einsetzen lassen.

Die Umwandlung von Hautzellen in induzierte pluripotente Stammzellen gelang der Arbeitsgruppe um Takahashi und Yamanaka im Jahre 2006 [Takahashi, K. ; Yamanaka, S. (2006): Induction of pluripotent stem cells from mouse embryonic and adult fibroblast cultures by defined factors. Cell 126, 663 – 676]. Jedoch ist eine Transformation pluripotenter Stammzellen zu neuronalen Stammzellen und weiter zu differenzierten Nervenzellen noch nicht befriedigend möglich; denn die aus pluripotenten Stammzellen generierten Zellen zeigen zwar viele Eigenschaften von neuronalen Stammzellen, sind aber letztlich mit wirklichen Stammzellen des Gehirns vor allem funktionell nicht völlig identisch. Daher sehen viele Forscher die Arbeit mit solchen aus Hautzellen transformierten Nervenzellen als sehr kritisch und bevorzugen stattdessen weiter neuronale Stammzellen aus in-vivo-Entnahmen.

Mit dem Ziel der Grundlagenforschung an neuralen Stammzellen behilft man sich derzeit mit aus Mäusegehirnen gewonnen Stammzellen; denn die Entnahme neuronaler Stammzellen am lebenden Menschen zu reinen Forschungszwecken ist durch die damit verbundenen Risiken (Gefahr einer dauernden Hirnschädigung) ethisch nicht vertretbar.

Durch Forschung an neuronalen Stammzellen erwartet man weiterführende Erkenntnisse über allgemeine Entwicklung bzw. Differenzierung von Nervenzellen sowie über Mechanismen bzw. Heilungsansätze neuronaler Erkrankungen zu gewinnen. Jedoch sind bei diesem Vorgehen, d.h. die Verwendung neuronaler Stammzellen aus Mäusegehirnen, vor allem zwei Aspekte zu beachten:

1. Die Forschungsergebnisse, die an tierischen Stammzellen gewonnen werden, sind nicht automatisch auch auf den Menschen übertragbar.

2. Die Möglichkeiten der Gewinnung menschlicher (insb. neuronaler) Stammzellen werden aktuell nicht voll ausgeschöpft; denn Stammzellen lassen sich auch aus Organspendern isolieren. Dieser Ansatz könnte nicht nur eine Gewebeentnahme für einen potentiellen Empfänger darstellen, sondern darüber hinaus auch für stammzellbiologische Grundlagenforschungen generell genutzt werden. Realisierbar wäre dies durch ein genau aufeinander abgestimmtes personelles, operatives und zeitliches Management (analog dem gängigen Verfahren zur Organentnahme im Rahmen der Organtransplantation).

Fazit: Die Gewinnung von Stammzellen im Rahmen der Organspende gilt es umzusetzen, nicht nur weil sich medizinische (biologische) Forschung und praktischer Tierschutz ergänzen, sondern darüber hinaus auch die Chancen für die Zell- und Gewebeersatztherapie besser erforscht werden können. Eine wichtige Voraussetzung zur praktischen Umsetzbarkeit ist auch in diesem Fall die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen.

Dr. med. Oliver-Hans Zöller

Dr. med. Oliver-Hans Zöller ist Facharzt für Allgemeinmedizin, arbeitet im öffentlichen Gesundheitswesen und ist Gründer der Zöller-Beaumont-Stiftung für Regenerative Medizin.
Die Homepage der Zöller-Beaumont-Stiftung können Sie besuchen unter
www.zoeller-beaumont-stiftung.org.



In der Rubrik Gastbeitrag können die Leser das Wort ergreifen und ein für sie wichtiges Thema zum Thema tierversuchsfreie Forschung andiskutieren.
Kürzungen und das Veröffentlichungsrecht behalten wir uns vor.