„Millionen Mäuse, Ratten und Kaninchen sterben jährlich für Versuche - die Zahl könnte durch eine neue EU-Chemikalienrichtlinie drastisch steigen. Forscher arbeiten nun an schonenden Alternativen, doch aufwendige Prüfungen und Bürokratie behindern sie.“ leitet Nora Somborn ihren Bericht "Tierversuch-Alternativen. Im Zweifel für den Tod" auf spiegel.de ein.


Millionen Tiere sterben jährlich oft auf qualvolle Weise für die Wissenschaft. In Deutschland waren es 2008 fast 2,7 Millionen Wirbeltiere, erklärt Somborn in Ihrem Bericht vom 29.03.2010, der im Internet bei spiegel.de veröffentlicht wurde.

Die Zahlen würden weiterhin ansteigen. Eine Trendwende sei nicht in Sicht - besonders, seitdem die sogenannte Reach-Verordnung der Europäischen Union verlange, dass praktisch alle Chemikalien, die die Industrie verwende, bis zum Jahr 2018 registriert werden müssen. Somborn: „Ein wahrer Testboom steht bevor.“ Alternativen seien gefordert. Doch die Einführung von schonenderen Methoden sei ein langwieriger Prozess: „Bürokratische Hürden und aufwendige Prüfverfahren bremsen die Forscher - und verlängern die Qual der Versuchstiere“, kritisiert Somborn. Sie verweist auf Thomas Hartung, Direktor des Johns Hopkins Center for Alternatives to Animal Testing in Baltimore (US-Bundesstaat Maryland) und seine Kollegin Costanza Rovida, die mit einem `Verbrauch´ 54 Millionen Labortieren für die Reach-Verordnung rechnen würden.

Nora Somborn berichtet in ihrem Artikel auch über die Biologin Michaela Aufderheide, die sich mit menschlichen Lungenzellen beschäftige, mit der sie die Toxizität von Stoffen in der Luft testen könne, ohne Mäuse dafür leiden zu lassen. Den ersten Prototyp einer solchen künstlichen Testlunge habe ihr Team vor zehn Jahren entwickelt und die Methode seither ständig verfeinert. Durchgesetzt habe sich die Methode jedoch noch nicht. Im Sommer möchte Aufderheide mit dem offiziellen Anerkennungsverfahren starten. Anhand von Richtlinien der Wirtschaftsorganisation OECD müsse gezeigt werden, dass mit diesem Ansatz einen Tierversuch ersetzt werden könne und auch in anderen Laboren zum gleichen Ergebnis führe. Mindestens drei bis fünf Jahre dauere jedoch allein dieser Beweis. Weitere zehn Jahre halte Aufderheide für realistisch, bis ihre Methode angewendet werden könne, vorausgesetzt, die Ergebnisse widersprechen denen des Tierversuchs nicht. In diesem Fall könne die Anerkennung problematisch werden. Auch dann, wenn der Fehler womöglich im Tierversuch liege.

Der Toxikologe Dieter Runge, den Somborn ebenfalls vorstellt, züchte menschliche Leberzellen und überprüfe, wie sie auf Wirkstoffe reagierten. Die menschliche Leber arbeite anders als die von Mäusen oder Ratten. Substanzen, die für die Tiere unbedenklich seien, könnten dem Menschen schaden - und andersherum, schreibt Somborn. Runge erklärt der Autorin, die Daten aus Tierversuchen wären in weit mehr als 50 Prozent der Fälle nicht auf den Menschen übertragbar. Dieter Runge habe bereits in einer Studie zeigen können, dass seine Leberzellen richtige Ergebnisse liefern, wenn der Tierversuch daneben liege.

Auch Robert Landsiedel, Forschungsleiter der Toxikologie-Abteilung beim Chemiekonzern BASF setze auf neue In-Vitro-Methoden, er untersuche beispielsweise allergische Reaktionen der menschlichen Haut. Der Konzern führe laut Landsiedel ein Drittel seiner Tests mit Alternativmethoden durch.


Lesen Sie den Originalartikel von Nora Somborn bei spiegel.de,
und lesen Sie dort auch, was es mit der sogenannten erweiterten Ein-Generationen-Studie auf sich hat, über den Boom der Forschung an Alternativverfahren in den Vereinigten Staaten und weshalb die Forschung an schonenden Verfahren in Politik und Industrie an Stellenwert gewinnt.