Prof. Klaus Kümmerer, Direktor des Instituts für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie der Leuphana Universität Lüneburg, forscht unter anderem an neuen Eigenschaften für Arzneimittel mit dem Ziel, sie in den Flüssen und Seen abbaubar zu machen.

Sie befinden sich quasi in allen Gewässern: kleine Moleküle, die sich durch die Abwasserreinigung nicht herausfiltern lassen. Sie stammen oft aus Haushalten und gelangen über die Toilette in die Gewässerkette. Flüsse und Seen sind voll von Arzneimittelrückständen.

Gerade einmal zehn Prozent aller Oberflächengewässern sollen gemäß einer europaweiten Studie als "sehr sauber" eingestuft worden sein, schreibt Spiegel online in seiner heutigen Ausgabe. Vor allem Schmerzmittel, Antibiotika und Psychopharmaka belasten unsere Umwelt. Und dabei müssen die Haushalte nicht unbedingt ihre Altmedikamente in der Toilette entsorgt haben: es genügt der Gang auf die Örtlichkeit, und schon werden über den Urin Arzneimittelausscheidungsprodukte in die Abwässer und damit in die Oberflächengewässer eingespült. Dort bleiben sie für sehr lange Zeit und lassen sich bislang noch nicht herausfiltern. Dieser Anteil ist nicht unerheblich.

Während sich beim Hersteller die eingebrachten Mengen über die Abwässer konkret über die Produktionsmengen bestimmen lassen, erfolgt beim Nutzer eine Konzentrationsabschätzung, die sich aus verkauften Menge pro Jahr, der empfohlenen Tagesdosis, Wasserverbrauch und einem Faktor zusammensetzt. Beispiel: 2007 wurden allein 344.880 kg des Schmerzmittels Ibuprofen wurden 2001 in Deutschland verbraucht (Quelle: Sachverständigenrat für Umweltfragen 2007).

Auf Beobachtungen schädigender Effekte auf die Umwelt, z.B auf Fische durch Verweiblichung und reduzierte Fertilität haben Ökotoxikologen schon vor Jahren hingewiesen. Der langfristige Einfluss sogenannter endokrin wirksamer Substanzen - und Restbestände der Antibabypille oder von Hormonersatztherapien sind ja auch nichts anderes - auf eine mögliche Entstehung nicht nur von Umweltungleichgewichten sondern auch von Humankrankheiten werden seit längerem diskutiert. Die WHO hat im letzten Jahr zu den Wirkungsmechanismen der endokrin wirksamen Substanzen neue Studien gefordert.

Prof. Kümmerer ist in der Invitrojobs-Arbeitsgruppenliste vertreten.

Quellen:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/belastete-gewaesser-medikamente-sollen-biologisch-abbaubar-werden-a-966195.html
http://www.natur.de/de/20/Wie-Tourismus-die-Alpen-bewahrt,1,,1445.html

Literatur:
Damstra, T, Barlow, S, Bergman, A, Kavlock, R & Van der Kraak, G (2013): Global assessment of the state-of-the-science of endocrine disruptors. WHO, IPCS International Program on Chemical Safety. WHO/PCS/EDC/02.2 http://www.who.int/ipcs/publications/new_issues/endocrine_disruptors/en/

Sharon Munn & Marina Goumenou (2013): Key scientific issues relevant to the identification and characterisation of endocrine disrupting substances. Report of the Endocrine Disrupters Expert Advisory Group. JRC Scientific and Policy Reports. European Commission EUR 25919 – Joint Research Centre – Institute for Health and Consumer Protection.

http://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2007_Stellung_Arzneimittel_in_der_Umwelt.html