Ein deutsch-schwedisches Forscherteam hat aktuell mit Hilfe einer radiokarbonbasierten Altersdatierung von humanen Nervenzellen nachweisen können, dass entgegen der früheren Annahme eine Regeneration von Nervengewebe der Hirnrinde nach einem Schlaganfall nicht möglich ist.

Dr. Hagen Huttner und Prof. Dr. Stefan Schwab von der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen haben gemeinsam mit schwedischen kollegen vom Stockholmer Karolinska Institut mit Hilfe der Radiokarbonmethode nachgewiesen, dass sich Zellen der Hirnrinde doch nicht regenerieren können wie ursprünglich angenommen. Mit ihrer Methode widerlegten sie Ergebnisse aus Tierversuchen mit Nagetieren.  Für ihre Untersuchungen nutzten sie den Umstand, dass aus Atombombentests während des Kalten Krieges vermehrt ein radioaktives Kohlenstoffisotop freigesetzt worden war, das in das Genom u.a. auch von Nervenzellen eingebaut wurde und über sehr lange Zeit dort stabil bleibt. Diese 14C-Isotope lassen sich messen. Zunächst untersuchten sie DNA-Reparaturmechanismen, die nach Beschädigung von Gewebe aktiv wird. Hierfür isolierten sie Zellkerne vom Kortexgewebe gesunder Probanden und von Patienten nach einem Schlaganfall per Durchflusszytometer. Die Forscher konnten nicht bestätigen, dass im Kortex überlebende Nervenzellen nennenswerte genomische Rearrangements oder Translokationen zeigten, wie sie bei Reparaturvorgängen zu erwarten gewesen wären.

Das Alter der Zellen nach dem Schlaganfall bestimmten sie über die 14C-Menge im Genom. Die Konzentration der 14C entsprach zum Zeitpunkt der Geburt der Patienten der 14C Konzentration in der Luft. Die Konzentration im Gewebe der durch den Schlaganfall geschädigten Stelle entsprach in etwa der Konzentration von Kontrollgeweben gesunder Probanden. Das zeigte ihnen, dass der Schlaganfall nicht zu einer Bildung neuer Neuronen führt, sonst hätte der Isotopenanteil abnehmen müssen. Eine Alterrückdatierung ergab, das das Alter der überlebenden Zellen nach Schlaganfall dem Alter der Schlaganfallpatienten selbst entsprach.

Ergebnisse früherer Experimente an Tieren, in denen der Schlaganfall künstlich herbeigefügt wird, hatten Forscher irrtümlicherweise annehmen lassen, dass die Hirnrinde nach einem Schlaganfall beim Menschen neue Zellen bilden kann (z.B. Arvidsson et al 2002, Jin et al 2006) und somit ein Regenerationspotenzial bestünde.

Quelle:
http://idw-online.de/pages/de/news583370

Originalpublikationen:
Hagen B Huttner, Olaf Bergmann, Mehran Salehpour, Attila Rácz, Jemal Tatarishvili, Emma Lindgren, Tamás Csonka, László Csiba, Tibor Hortobágyi, Gábor Méhes, Elisabet Englund, Beata Werne Solnestam, Sofia Zdunek, Christian Scharenberg, Lena Ström, Patrik Ståhl, Benjamin Sigurgeirsson, Andreas Dahl, Stefan Schwab, Göran Possnert, Samuel Bernard, Zaal Kokaia, Olle Lindvall, Joakim Lundeberg & Jonas Frisén (2014): The age and genomic integrity of neurons after cortical stroke in humans. Nature Neuroscience, doi:10.1038/nn.3706

Arvidsson, A, Collin, T, Kirik, D, Kokaia, Z & Lindvall, O (2002): Neuronal replacement from endogenous precursors in the adult brain after stroke. Nature Medicin 8/9: 963-970.

Jin, K, Wang, X, Xie, L, Ou Mao, X, Zhu, W, Wang, Y, Shen, J, Mao, Y, Banwait, S & Greenberg, DA (2006): Evidence for stroke-induced neurogenesis in the human brain. PNAS 103/35: 13198-13202.