Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat in diesem Jahr den Ursula M. Händel-Tierschutz-Forschungspreis der DFG an den Humanbiologen Prof. Dr. Thomas Korff vergeben.


Er erhält ihn für die vorbildliche Umsetzung des 3-R-Prinzips (Reduction, Refinement, Replacement). Korff hat in seiner Arbeit verschiedene Verfahren entwickelt, die die Belastung für die in Tierversuchen eingesetzten Tiere vermindern, die Zahl der erforderlichen Versuchstiere reduzieren und Alternativmethoden zu Tierversuchen aufzeigen.
Der Preis wird am 20. März 2014 in Berlin übergeben. Wie es in der gestrigen Pressemitteilung der DFG heißt, wird ein vorgeschalteter Workshop vor der Preisverleihung das Thema „Tiermodelle in der Forschung – Chancen und Grenzen“ beleuchten.

InVitroJobs führte ein kurzes Gespräch mit dem Preisträger Prof. Korff.

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Foto: T. Korff.


InVitrojobs:

Wir möchten Ihnen zunächst einmal zur Preisträgerschaft des Ursula M. Händel-Tierschutz-Forschungspreises gratulieren.

Prof. Korff:
Vielen Dank.

InVitroJobs:
Als Tierschutzorganisation sind wir natürlich besonders an dem 3. R, dem Replacement, interessiert und möchten Ihnen deshalb einige Fragen stellen. Können Sie zunächst kurz skizzieren, was Sie erforscht haben und welche Erkenntnisse Sie gewonnen haben?

Prof. Korff:

Wir erforschen biomechanisch induzierte Mechanismen, die krankhafte Veränderungen des Gefäßsystems fördern beziehungsweise deren schädliche Auswirkungen, zumindest partiell, kompensieren können. Dabei interessieren wir uns unter anderem für die Entstehung arteriosklerotischer Schädigungen und für den Umbau von Arterien, der zum Beispiel durch Bluthochdruck hervorgerufen wird. Zu unseren Untersuchungsfeldern gehört auch die durch Tumorwachstum ausgelöste Angiogenese, also die Blutgefäßneubildungen. Wir charakterisieren Proteine, die das Verhalten der glatten Gefäßmuskelzellen in den Wänden der Blutgefäße steuern. Beispielsweise konnten wir so Mechanismen identifizieren, die verantwortlich für den Umbau der Arterienwände bei Bluthochdruck sind.

InVitroJobs:
Was ist es für eine Zellkultur, die Sie einsetzen? Welche Bedeutung kam da der Zellkultur zu?

Prof. Korff:
Wir haben eine Methode entwickelt, um humane Endothelzellen und glatte Gefäßmuskelzellen zusammen in dreidimensionalen Aggregaten zu kultivieren. Die Zellen gewinnen wir aus den Blutgefäßen der Nabelschnur nach Geburten. Dabei haben die 3D-Zellkulturen weitaus bessere, den Bedingungen im Organismus ähnlichere, Eigenschaften als herkömmliche 2-D-Kulturen. Zellen in 2D-Kulturen teilen sich vor allem, und ein derartiges Wachstum kommt im erwachsenen Körper eigentlich nicht vor. Diese wachsenden Zellen lassen sich auch in der Regel nur schwer aktivieren. Sie synthetisieren also nicht die Proteine wie im Gewebeverbund, und sie verhalten sich auch nicht normal. Daher habe ich bereits vor beinahe 20 Jahren begonnen, die Zellen in 3D zu kultivieren. Mit ihnen kann man viele Experimente machen, die sich mit 2D-Kulturen nicht durchführen lassen. Wenn ich die Zellen in einem Kollagengel als kugelige Aggregate, sogenannte Sphäroide, wachsen lasse, sprossen nach einiger Zeit kleine Gefäße nach außen ins Gel. Dieses Gebilde kann ich nutzen, um Substanzen zu testen, die die Angiogenese hemmen oder fördern können. Bortezomib etwa ist so ein Arzneimittel, das zur Therapie des multiplen Myeloms zugelassen ist und in unseren Kulturen das Gefäßwachstum unterdrückt.

Wir haben das Modell auch anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und auch im Bereich der Aus- und Fortbildung, etwa bei Promocell in Heidelberg, zur Verfügung gestellt. Viele Gruppen testen inzwischen verschiedene Wirkstoffe mit Hilfe der Sphäroide.

Ein weiteres Modell, das wir entwickelt haben, basiert auf  der Ohrmuschel von Mäusen. Anstatt, aufbauend auf den in vitro gewonnenen ersten Erkenntnissen, im Tier die Wirkung einer Substanz auf das Gefäßsystem durch die systemische Verabreichung zu überprüfen, können wir den Wirkstoff, der sonst im ganzen Körper verteilt ist und ziemlich agressiv wirkt, lokal auf die Ohrmuschel auftragen. Das Tier wird dadurch deutlich weniger belastet, wohingegen viele Testtiere bei der herkömmlichen Methode an verschiedenen Organversagen sterben. Mit der neuen Methode brauchen wir also nicht so viele Tiere. Auch die Untersuchung der Wirkung der Testsubstanz auf das Gefäßsystem kann am Ohr schonend und nicht-invasiv durchgeführt werden, etwa durch moderne bildgebende Verfahren oder durch die Untersuchung der Perfusion des Gewebes mit modernen Ultraschallgeräten, wie sie uns zur Verfügung stehen.

InVitroJobs:

Sind Sie der Ansicht, dass der Einsatz von Zellkulturen zu einem unverzichtbaren Aspekt bei der Erforschung Ihrer Fragestellungen ist?

Prof. Korff:
Auf jeden Fall. Wir nutzen das humanspezifische Zellkultur-Modell zum Screening von Substanzen. Der Vorteil besteht darin, dass wir bereits einen Hinweis auf die Dosis bekommen, die voraussichtlich am Menschen wirkt. Dadurch lassen sich in den weiteren Versuchsreichen viele Tiere einsparen.

InVitroJobs:
Weshalb konnte man die übrigen Fragestellungen nicht ohne Tiereinsatz erforschen?

Prof. Korff:
Bei allen Fortschritten in der Gewebekultur kann man grundlegende Fragen über das Zusammenspiel mehrerer Zelltypen oder Veränderungen in ganzen Organsystemen nur am Organismus selbst klären.

Ganz tiereinsatzfrei lässt sich zum Beispiel die Arterioskleroseforschung also auch in Zukunft nicht betreiben. Das Gebiet ist so komplex, man braucht vier bis sechs Zelltypen, Gefäße mit ihren Gefäßeigenschaften, die maßgeblich durch ihre sehr komplexe nicht-zelluläre Umgebung geprägt werden, einen Stoffwechsel und den biomechanischen Einfluss des pulsierenden Blutstroms. All das lässt sich nicht in der Kultur simulieren. Wie bei der Zellkultur hat aber natürlich auch der Tierversuch seine Grenzen. Kein Tiermodell ist wirklich zu hundert Prozent geeignet, die Verhältnisse am Menschen komplett abzubilden. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man aber trotzdem biomedizinisch für den Menschen wichtige Informationen erhalten. Für maximalen Kenntnisgewinn sind wir auf den überlegten und abgestimmten Einsatz beider Methoden, also menschliche Zellkulturen und schonende Tierversuche, angewiesen.

InVitroJobs:
Vielen Dank für das Gespräch.

Link: http://www.spherogenex.de/