Zur Tierschutzforschungspreisverleihung des Landes Rheinland-Pfalz am 30. Juni 2011

Das Land Rheinland-Pfalz vergab zum dritten Mal den Preis zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch. In diesem Jahr wählte die Fachjury eine Arbeit der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Claus-Michael Lehr, Dr. Eva-Maria Collnot und Fransisca Leonard von der Universität des Saarlandes, Fachrichtung Pharmazie, Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie und dem Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), Abteilung Wirkstofftransport.


Die Preisträger wurden am 30. Juni im Mainzer Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten für ihr Projekt „A three-dimensional coculture of enterocytes, monocytes and dendritic cells to model inflamed intestinal mucosa in vitro” ausgezeichnet. Darin geht es um die Entwicklung eines in vitro-Kokulturen-Systems, bestehend aus einer Enterozytenzelllinie (CaCo-2) und die Erzeugung eines Darmentzündungsprozesses, um hier die Veränderung der Zellbarriereeigenschaften bei der Gabe von z. B. Medikamenten untersuchen zu können.

Mit einführenden Worten teilte Dr. Erwin Manz, Leiter des Büros des Umweltministeriums Rheinland-Pfalz mit, dass Tierschutzschutz ein zentrales Anliegen der Landesregierung sei. Tierversuche sollen weiter reduziert werden, insbesondere durch die Förderung von Alternativverfahren. Die aktuellen Tierversuchszahlen stagnierten in der Pfalz derzeit. Es seien aktuell 117.144 Tiere in Rheinland-Pfalz verbraucht worden, daher müssen Alternativen gesucht und deren Anwendung forciert werden. Der Preis solle ..“ Anwalt sein, die Forschung auf diesem Gebiet zu verstärken“. Weiter war zu vernehmen, da Rheinland-Pfalz „..klein sei, dass Forschungspreisbewerbungen auch aus anderen Bundesländern zulässig“ seien.


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Dr. Erwin Manz, Büroleiter der Umweltministerium des Landes Rheinland-Pfalz. Foto: Christiane Hohensee



Dr. Christiane Baumgartl-Simons vom Landesverband Menschen für Tierrechte Rheinland-Pfalz e. V. und Mitglied der Jury lobte in ihrer Laudatio die Wissenschaftler, die sich „...auf den Weg gemacht hätten, tierversuchsfreie Verfahren zu entwickeln, weil in vitro-Verfahren über das Potenzial für elegante, leistungsstarke und ethisch unbelastete wissenschaftliche Methoden verfügten, die anders als die Tiermodelle Spezies-bedingte Unterschiede auch in der Pathogenese ausschließen.“ Wissenschaftler mit solchen Ambitionen und Visionen seien in der heutigen Forschungslandschaft noch immer eine Rarität.


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Linkes Bild: Dr. Baumgartl-Simons, Dr. Erwin Manz, Frau Müller-Taschinski, Manfred Braun (Leiter der Öffentlichkeitsabteilung des Helmholtzzentrums für Infektionsforschung) sowie Prof. Dr. Claus-Michael Lehr.
Rechtes Bild: Prof. Dr. Claus-Michael Lehr.

Foto: Christiane Hohensee



Prof. Claus-Michael Lehr
selbst sagte in seiner Dankesrede, die Forschergruppe freue sich sehr über den Preis. Er sei eine Motivation, dass die Methode möglichst schnell den Weg in die Wirtschaft findet. Gleichzeitig lobte er seine Mitarbeiter: „nur weil das Team gut funktioniert, ist in der Praxis so ein Ergebnis dabei herausgekommen“. Ein wenig Zwang durch das Tierschutzgesetz, nach Alternativen suchen zu müssen, sei auch ein Stimulus für die Wissenschaft. Das Tier in seiner Komplexität sei eine „Blackbox“, und eine Reduktion und Vereinfachung sinnvoll, wenn es um biologische Barrieren geht. Im Gegensatz zum Tierversuch kann man bei der neu entwickelten Methode nicht nur sagen, DASS es funktioniert, sondern WIE es funktioniert.

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Von links nach rechts: Manfred Braun, Fransisca Leonard, Prof. Dr. Claus-Michael Lehr, Dr. Eva-Maria Collnot, Dr. Christiane Baumgartl-Simons und Dr. Christiane Hohensee. Foto: Herr Hirsch, Umweltministerium Rheinland-Pfalz.


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Es ist den Pharmazeuten Prof. Dr. Claus-Michael Lehr, Dr. Eva-Maria Collnot sowie der Biotechnologin Fransisca Leonard am Saarbrücker Institut für Pharmazie, Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie gelungen, auf einem durchlässigen Polycarbonatfilter eine Caco-2-Zelllinie, die die gesunde menschliche Darmschleimhaut schon heute in vitro simuliert, gemeinsam mit dendritischen Zellen und Makrophagen in einer Kollagenschicht anzusiedeln und zu kultivieren.

Nach drei Wochen bildet sich ein konfluierendes künstliches Darmepithel. In dieser Ko-Kultur verändern sich Makrophagen und dendritische Zellen, sie werden den Zellen des Darmes ähnlicher. Ernährt werden die Zellen über ein Medium, das durch den durchlässigen Polycarbonfilter die Ko-Kultur erreicht. An diesem künstlichen, nicht entzündlich veränderten Darmepithel lässt sich ein hoher elektrischer Widerstand messen. Er ist das Maß für die Dichtigkeit und Barrierefunktion des künstlichen Darms.

Die Entzündungsreaktion wird durch Zugabe eines entzündungsauslösenden Zytokins (Interleukin 1β) in das Zellkulturmedium ausgelöst. Die zu den Immunzellen zählenden Makrophagen und dendritische Zellen zeigen in der Ko-Kultur bereits nach 48 Stunden Entzündungssymptome, die auch am entzündlich veränderten Darm des Menschen festgestellt werden. Festgestellt werden kann ein Anstieg eines Entzündungsmarkers, die Auflockerung der Zellverbindungen, ein Abfall des elektrischen Widerstands, eine erniedrigte Barrierefunktion der künstlichen Darmschleimhaut und eine verstärkte Schleimproduktion. Diese Symptome bleiben in der Kultur mehrere Tage erhalten.

Die Funktionstüchtigkeit dieses dreidimensionalen Ko-Kulturmodells wurde bereits mit einer bekannten entzündungshemmenden Substanz (Glucokorticoid) in verschiedenen Formulierungen erfolgreich getestet.

Der genaue Versuchsablauf kann in einem Video des Saarbrücker Instituts für Pharmazie, Biopharmazie und Pharmazeutische Techniologie studiert werden unter:

http://www.uni-saarland.de/