Dienstag, 02 Mai 2017 07:37

Living Heart Project: Mathematische Modelle zum Ersatz von Tierversuchen Empfehlung

Prof. Dr. Philipp Kügler vom Institut für Angewandte Mathematik und Statistik der Universität Hohenheim arbeitet an Computersimulationen, mit denen die Auswirkungen von Medikamenten auf die Herzaktivität schnell und zuverlässig getestet werden können.

Die Daten für seine mathematischen Berechnungen erhält der Wissenschaftler von den Ergebnissen eingesetzter Herzmuskelzellen, die aus humanen Stammzellen entwickelt worden sind. Sie wurden eigens dafür gezüchtet, um verschiedene Wirkstoffe zu testen. Mit deren Hilfe kann die Interaktion zwischen pharmazeutischem Wirkstoff und menschlichen Zellen umfassend untersucht werden.

Derzeit unterscheiden sich die künstlich gezüchteten Herzmuskelzellen jedoch noch von ihren natürlichen Vorbildern. Diese Unterschiede will der hohenheimer Wissenschaftler mit seiner Simulation jedoch verringern. Dabei prüft der Mathematiker auf der Ebene einzelner Zellen ebenso wie kleinerer Zellverbünde, ob die bisher entwickelten Gleichungen zur Abbildung des Verhaltens künstlicher Herzzellen der Realität entsprechen, und passt sie entsprechend an. Um das Verhalten von Herzmuskelzellen im Modell abzubilden, werden künstliche Herzmuskelzellen im Labor nachgezüchtet und über den Elektroden eines Chips aufgetragen. Dieser zeichnet die Ausbreitung der elektrischen Signale der Zellen auf, die zur Kontraktion des Herzmuskels führen – er misst also den Rhythmus des Herzschlags. Wird ein Wirkstoff auf die Zellen gegeben, erfasst der Chip, wie diese darauf reagieren und ob es zu Herz-Rhythmusstörungen kommt.

Die Messwerte zur elektrischen Signalübertragung der Zellen lassen sich in Differentialgleichungen abbilden. Diese Gleichungen überprüft Prof. Dr. Kügler dann mithilfe einer sogenannten Bifurkationsanalyse. Wenn die Modellgleichung für eine Herzmuskelzelle zu einem anderen Ergebnis als in der Realität kommt, überprüft Prof. Dr. Kügler, an welchem Punkt der Gleichung die Abweichung entstanden ist und korrigiert entsprechend.
 
Wenn die Ergebnisse aus seinem Modell für einzelne Zellen und Zellverbünde durch Experimente bestätigt sind, werden sie im Living Heart Project von der Zellebene auf das gesamte Herz übertragen.

Ein ähnliches Projekt gibt es bereits für die Leber (virtual liver project), an dem u.a. das Leibniz-Institut für Arbeitsmedizinische Forschung maßgeblich beteiligt ist.

Quelle und weitere Informationen:
https://www.uni-hohenheim.de/pressemitteilung?tx_ttnews%5Btt_news%5D=35393&cHash=1cff49d7d72c10984f6530d2fbc2b0bb