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Mittwoch, 05 April 2017 10:35

Bonn: Dreidimensionales Hirngewebe in der Petrischale Empfehlung

Zur Erforschung von Störungen während der frühen Entwicklung des Gehirns haben Wissenschaftler aus Bonn funktionelles, dreidensionales Hirngewebe aus Hautzellen von Patienten entwickelt und damit ein in-vitro-Krankheitsmodell hergestellt, mit dem sie das Miller-Dieker-Syndrom untersuchen können.

Beim Miller-Dieker-Syndrom wird die äußerste Hirnrinde nicht vollständig ausgebildet. Als Ursache wird ein Fehlen bestimmter Proteine verantwortlich gemacht. Sie führen dazu, dass sich Stammzellen zu früh beginnen, zu differenzieren, weil sich die Stammzellen sich nicht in ausreichendem Maße teilen und dichte Schichten (Ventrikularzonen) bilden. Bei den Patientenzellen ist diese Schichtung dünn und ungeordnet.  Die
Folge ist eine Lissencephalie, bei der am Ende der überwiegende Teil der Hirnfurchung fehlt (1). Die Wülste (Gyri) und Vertiefungen sind für ein normales Primatenhirn kennzeichnend und erinnern an eine Walnusshäfte. Die Patienten leiden z.B. an Epilepsie oder an mentaler Retardie (2). Ursache ist ein Chromosomendefekt am LIS1- und in diesem Fall - dem YWHAE-Gen.

Der Entstehlungsprozess dieser Erkrankungen lässt sich im Tiermodell nicht untersuchen, vor allem nicht in Nagetieren, da sie u.a. von Natur aus eine lissencephale Gehirnarchitektur besitzen.

Das Wissenschaftsteam unter der Leitung von Dr. Julia Ladewig vom Institut für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn hat aus Hautzellen von Patienten, die an diesem Syndrom leiden, sowie von Kontrollprobanden zunächst induzierte pluripotente Stammzellen hergestellt und hieraus die Hirngewebe entwickelt. Dabei ordnen sich die Zellen selbst in der Petrischale zunächst zu kugeligen Gebilden
zusammen und beginnen bei Hinzugabe entsprechender Differenzierungsfaktoren selbst die typische Form, die oberflächlich durch eine Wulstbildung gekennzeichnet ist.

Im Vergleich ihrer Modellen konnten sie zunächst eine Verkleinerung des Umfangs beim Patienten-Nervengewebe beobachten. Bei dem erkrankten Gewebe waren abweichend angeordnete Nervenzellen festzustellen. Es erfolgte eine Änderung der Zellteilungsrichtung der radiären Gliazellen in der Ventrikularzone von vertikal zu horizontal. Ursachen sind Veränderungen bei der Organisation der Mikrotubuli-Netzwerke, die durch eine Störung des LIS1/NDEL1/14.3.3ε Proteinkomplexes verursacht werden. im Gegensatz zu gesunden Zellen erschienen die Mikrotubuli verzweigt und besaßen kürzere Extensionen. Die Folge einer dünneren und ungordneten Schichtung ist, dass sich die Zellen auch frühzeitig differenzieren.

Die Wissenschaftler wollen ihr Modell in der Grudlagenforschung zur Untersuchung der Krankheitsmechanismen nutzen.  

Originalpublikation:
Vira Iefremova, George Manikakis, Olivia Krefft, Ammar Jabali, Kevin Weynans, Ruven Wilkens, Fabio Marsoner, Björn Brändl, Franz-Josef Müller, Philipp Koch und Julia Ladewig (2017): An Organoid-Based Model of Cortical Development Identifies Non-Cell-Autonomous Defects in Wnt Signaling Contributing to Miller-Dieker Syndrome. Cell Reports; DOI: 10.1016/j.celrep.2017.03.047

Quellen:
https://www.uni-bonn.de/neues/089-2017

Zusatzinformationen:
(1) http://flexikon.doccheck.com/de/Miller-Dieker-Syndrom
(2) https://www.mgz-muenchen.de/erkrankungen/diagnose/miller-dieker-syndrom-mikrodeletion-17p133.html