Sonntag, 13 November 2016 15:00

Speziesunterschiede: Knochen-Gen mit neuer Funktion im Gehirn bei Primaten Empfehlung

Dass es Speziesunterschiede zwischen Menschen und Tieren gibt, ist eine Binsenweisheit. Die bekommt jetzt neue Nahrung. Ein Forscherteam um Michael E. Greenberg von der Harvard Medical School in Boston hat in menschlichen Nervenzellen ein im Laufe der Stammesgeschichte wieder aktiviertes Gen gefunden, das zu einem verstärkten Hirnwachstum bei Primaten geführt haben könnte.

Bei dem aktivierten Gen handelt es sich um OSTN, ein Gen das für das Protein Osteocrin kodiert. Normalerweise ist dieses Gen in Knochen- und Muskelzellen aktiv und regelt die Differenzierung von knochenbildende Zellen (Osteoblasten) in Knochen. In anderen Zelltypen ist es inaktiv, weil ein sogenannter Enhancer fehlt, der die Produktion der messenger-RNA bei der Genablesung fördert. In Primaten jedoch hat OSTN im Laufe der
Stammesgeschichte zusätzlich in den Nervenzellen der Großhirnrinde und anderer bestimmter Hinbereiche wieder eine Funktion bekommen, indem die Enhancerfunktion dort vorhanden ist. Enhancer sind DNA-Bereiche, die die Gene im 3' oder 5' Bereich flankieren von mehreren hundert Basenpaaren, die eine wichtige Funktion bei der Genregulation haben, indem sie mit DNA-Proteinen Interaktionen eingehen. Dadurch kommt der Enhancer in die
Nähe der Promotorregion und beeinflusst so andere Proteine, die für die Ablesung und Umsetzung des Gens haben. Die Umsetzung des Gens in ein Protein, in diesem Fall Osteocrin, wird gefördert. Bei Mäusen und Ratten fehlt diese Enhancerfunktion. Bei Makaken ist dieses Gen bei der Verarbeitung visueller Signale aktiviert.

Die Autoren vermuten, dass die Aktivität von Osteocrin zu den Unterschieden bei der Entwicklung des Gehirns und damit den kognitiven Fähigkeiten von Mäusen und Menschen geführt haben könnten, indem es in der Großhirnrinde die Vernetzung der Nervenzellen steuert. Außerdem vermuten die Autoren, könnte eine Mutation des OSTN in den Nervenzellen für bestimmte Beeinträchtigungen der Gehirn- und
Intelligenzentwicklung oder autistische Erkrankungen verantwortlich sein.

Durch diese Erkenntnisse könnten möglicherweise entwicklungsneurotoxikologische Intelligenztests mit Nagern in einem anderen Licht gesehen werden.

Die Wissenschaftler haben ihre Entdeckung in Nature publiziert:
Bulent Ataman, Gabriella L. Boulting, David A. Harmin et al. (2016): Evolution of Osteocrin as an activity-regulated factor in the primate brain.
http://www.nature.com/nature/journal/v539/n7628/full/nature20111.html.

Quelle:
http://www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Evolution_des_Menschen__Knochen_Gen_uebernimmt_neue_Funktion_im_Gehirn1771015590256.html

Weitere informationen:
http://www.jbc.org/content/278/50/50563.full
http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/enhancer/21412