Montag, 02 Januar 2012 14:00

Tierschutzforschungspreisverleihung des BMELV 2011

Prof. Dr. Claus-Michael LehrDr. Eva-Maria Collnot und Fransisca Leonard, Abteilung Biopharmazie und Pharmazeutische Biotechnologie der Universität des Saarlandes, sowie Dr. Jörn Hendrik Reuter, Leiter der Abteilung experimentelle Toxikologie der Beiersdorf AG sind die diesjährigen Preisträger des Tierschutzforschungspreises des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.


Tierschutzforschungspreisverleihung des Bundesministeriums für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) 2011

Prof. Dr. Claus-Michael LehrDr. Eva-Maria Collnot und Fransisca Leonard, Abteilung Biopharmazie und Pharmazeutische Biotechnologie der Universität des Saarlandes, sowie Dr. Jörn Hendrik Reuter, Leiter der Abteilung experimentelle Toxikologie der Beiersdorf AG sind die diesjährigen Preisträger des Tierschutzforschungspreises des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.


Der Preis wurde am 13. Dezember im Bundesinsitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin verliehen. Die drei Preisträger der Universität des Saarlandes, Prof. Dr. Claus-Michael Lehr, Dr. Eva-Maria Collnot und Fransisca Leonard wurden für ihre Entwicklung eines dreidimensionalen Ko-Kulturensystems, bestehend aus verschiedenen Zelltypen (Enterozyten, Monozyten und dendritischen Zellen) ausgezeichnet. Mit ihrem Modell lassen sich Darmentzündungen künstlich erzeugen mit dem Ziel, die Veränderung der Zellbarriereeigenschaften bei einer Medikamentengabe zu untersuchen. Die Preisträger hatten bereits im Sommer hierfür den Tierschutzforschungspreis des Landes Rheinland-Pfalz erhalten. InVitroJobs hatte hierzu über das Verfahren berichtet und auch ein Interview mit Prof. Lehr geführt.

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Von links nach rechts: Staatssekretär des BMELV Peter Bleser, Preisträger Fransziska Leonard, Dr. Eva-Maria Collnot, Prof. Dr. Claus-Michael Lehr, Preisträger Dr. Jörn Hendrik Reuter (Beiersdorf AG) und PD. Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des BfR
Foto: BfR / Friedmann-Marohn

Dr. Jörn Hendrik Reuter, Abteilungsleiter der in vitro-Toxikologie der Beiersdorf AG, erhielt die Auszeichnung für seine Entwicklung eines in vitro-Tests, mit dem man Haut-sensibilisierende Chemikalien identifizieren kann. Für den Test wurden Monozyten (Vorläufer der großen Fresszellen) aus der übriggebliebenen Zellfraktion nach der Plasmagewinnung aus Blutspenden verwendet und aus ihnen dendritische Zellen gezüchtet. Die dendritischen Zellen haben eine wichtige Funktion bei der Abwehr fremder Stoffe in der Haut. Die Zellen werden kultiviert und dann die Testsubstanz auf die Zellen aufgegeben. Durch den Fremdstoff (Kontaktallergen) wird das T-Zell-Immunsystem aus den Lymphatischen System aktiviert. Das Kontaktallergen bildet  sogenannte Haptene, d.h. Proteinkomplexe, mit dem Fremdstoff, welche auf der Oberfläche spezialisierte Membranproteine tragen (in diesem Fall CD86) tragen, die vom Rezeptor der T-Zelle erkannt werden können. Die dendritische Zelle mit dem Oberflächenprotein vermehrt sich nun klonal immer wieder, weshalb der Mensch immer wieder allergisch auf einen bestimmten Stoff reagiert. Das Oberflächenmolekül – CD86 – wird in dem Test durchflusszytometrisch gemessen.

Der Test wurde inzwischen ergänzt um einen UV-Bestrahlungsschritt, denn viele Kontaktallergene werden erst infolge UV-Einstrahlung wirksam. Durch den neuen Test kann der Local Lymph Node Assay an Mäusen ersetzt werden.


InVitroJobs führte am Rande der Tierschutzforschungspreisverleihung des BMELV am 13.12.2011 mit einem der Preisträger, Dr. Hendrik Reuter, Leiter der Abteilung "Experimentelle Toxikologie" der Beiersdorf AG, ein Kurzinterview.


InVitroJobs:
Wir gratulieren Ihnen recht herzlich. Welche Bedeutung hat der Tierschutzforschungspreis  für Sie?

Dr. Hendrik Reuter:
Das ist schon eine tolle Auszeichnung für die jahrelange Arbeit, die nicht immer entsprechend gewürdigt wird.

InVitroJobs:
Sie erhalten den Forschungspreis für die Entwicklung eines Zellkultursystems mit dendritischen Zellen, die von Monozyten des peripheren Blutes abstammen: können Sie uns das kurz erklären, weshalb die Dendriten auf der Basis dieser Vorläuferzellen entwickelt werden?

Dr. Hendrik Reuter:
Wir nehmen diese Art Monozyten, weil sie leicht zu bekommen sind. Es ist sozusagen ein übriggebliebenes Restprodukt aus Blutspenden und der folgenden Plasmagewinnung, das in Mengen anfällt.

InVitroJobs:
Wie weit ist der Entwicklungsstand Ihres Tests? Ist er in der Prävalidierung oder Validierung?

Dr. Hendrik Reuter:
Wir befinden uns derzeit in der Planung einer Doppelblindstudie in Zusammenarbeit mit dem BfR zur Prävalidierung des Tests.

InVitroJobs:
Wird der Test auch schon von anderen Forschergruppen eingesetzt?

Dr. Hendrik Reuter:
Ja, z. B. bei mehreren universitären Gruppen, Henkel und den Ringstudienteilnehmern.

InVitroJobs:
Bei Ihrem in vitro-Test handelt es sich um eine Art „Baustein“ einer Testreihe: welche Tests spielen bei der
Hautsensibilisierung noch eine Rolle? Wie viele sind es? Wie weit ist der Entwicklungsstand bei diesen Tests?

Dr. Hendrik Reuter:
Das wissen wir noch nicht genau. Wie viele Tests im Rahmen einer integrierten Teststrategie bei der Prüfung von neuen Substanzen eine Rolle spielen werden, wird sich in Zukunft herausstellen.

InVitroJobs:
Welche Tiere und wie viele werden für solche Art Fragestellungen bislang eingesetzt?

Dr. Hendrik Reuter:
Hauptsächlich werden Mäuse in den Local Lymph Node-Assay1 eingesetzt, Meerschweinchen verwendet man eigentlich kaum noch, die Methoden sind antiquiert. Eine Angabe der verwendeten Tierzahlen ist kaum möglich.

InVitroJobs:
Weshalb gehört Ihre Testentwicklung in den toxikologischen Endpunkt „repeated dose“ und nicht „skin sensitization“ wie in ihrer Veröffentlichung geschrieben?

Dr. Hendrik Reuter:
Beides trifft zu. Der Endpunkt „repeated dose“ ist eigentlich der übergeordnete Endpunkt, denn gerade bei Fragen der Untersuchung von Kontaktallergenen muss man die Substanz mindestens zweimal drauf geben, dann hat man schon eine wiederholte Anwendung – also „repeated dose“. Natürlich handelt es sich um Tests zur Hautsensibilisierung.

InVitroJobs:
Welches sind derzeit die dringendsten Probleme, die bei der Forschung an Hautzellkulturen bzw. in Ihrem Fall an dendritischen Zellen zu lösen sind?

Dr. Hendrik Reuter:
Die Verfügbarkeit von Blut ist nicht in allen Ländern gegeben, z. B. ist die Verwendung von Blut in Japan verboten.

Ein weiteres Problem ist die Testung von nicht wasserlöslichen Substanzen mit unserem Modell. Das ist in der Zukunft wahrscheinlich  nur über ein immunkompetentes Hautmodell zu lösen.

InVitroJobs:
Wir danken für das Gespräch.

1: LLNA (Local Lymph Node Assay): zum Nachweis von Chemikalien mit hautsensibilisierenden Eigenschaften wird die die Prüfsubstanz in einer Verdünnungsreihe wird auf die Rückseite jedes Ohrs von erwachsenen weiblichen Mäusen appliziert. Nach Injkubation werden die Tiere getötet, die drainierenden aurikulären Lymphknoten entfernt und untersucht.