Dienstag, 29 November 2011 14:00

Tierschutzforschungspreis Baden-Württemberg 2011 für zwei Tübinger Forschergruppen des UKT

Der diesjährige mit 25.000 € dotierte Förderpreis für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch des Landes Baden-Württemberg 2011 geht an zwei Forschergruppen vom Universitätsklinikum Tübingen. Dr. Martina Berger von der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, Forschungslabor von Prof. Dr. Ulrich Stock, sowie Martina Zimmermann und Prof. Dr. Ulrich  Lauer, Leiter der Forschergruppe Molekulare Onkologie der Abteilung Innere Medizin I, wurden für Tierversuchsersatzverfahren auszgezeichnet.


Dr. Martina Berger
, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungslabor von Prof. Dr. Ulrich Stock der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Tübingen, wurde für ihre Entwicklung eines vereinfachten Echtzeit-Pulsreaktors zur langfristigen in vitro-Testung künstlicher Herzklappen ausgezeichnet. Bislang werden diese überwiegend in Schafen getestet. Da Patienten, die eine Herzklappe benötigen, in der Regel auch unter einem hohen Blutdruck leiden Schafe aber nicht, wird dies bislang bei den Tieren künstlich erzeugt.

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Preisträgerin Dr. Martina Berger
Foto: Wolfgang Livaditis.


Die neu entwickelte Methode erlaubt die Testung der Herzklappen unter human-ähnlichen Bedingungen in vitro bei flexibel einzurichtendem normalem oder erhöhtem Blutdruck. Die Konstruktion besteht aus einer Borosilikatkammer mit einer blutähnlichen Lösung, in welche die Herzklappen in einer eigens dafür konstruierten Befestigung eingebracht werden, die sich bei Druck vertikal bewegen können. In diesem abgeschlossenen und kontrollierbaren System können Blutfluss, Blutdruck, Druckprofil, Herzfrequenz, Temperatur und Viskosität simuliert und verändert werden. Zudem können die Herzklappen unter Langzeitbedingungen getestet werden. Das Ganze wird mit High-Speed Kameras erfasst, wodurch sich weitere Parameter untersuchen lassen, und für die Evaluierung dokumentiert.

Prof. Dr. med. Ulrich Stock arbeitet inzwischen als leitender Oberarzt und stellvertretender Direktor der Klinik für Thorax-, Herz- und Thorakale Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.

Die zweiten Preisträger sind Martina Zimmermann und Prof. Dr. med. Ulrich M. Lauer, Leiter der Forschergruppe Molekulare Onkologie der Abteilung Innere Medizin I des Universitätsklinikums Tübingen. Sie wurden für ihre in vitro-Arbeiten zur Erforschung von Masern-Impfviren zur Therapie von Leberkrebs (sogenannte Virotherapie) ausgezeichnet. In dieser Arbeit wird  human-spezifisch auf menschliche Leberkarzinomabschnitte aus Operationen zurück gegriffen. Das humane Tumorgewebe wird  in sehr dünne Scheiben  von 200 bis 300 Mikrometern Dicke geschnitten und anschließend in Kulturen angezüchtet.

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Von links nach rechts: Preisträger Prof. Dr. Ulrich Lauer, Martina Zimmermann,
Abteilung Innere Medizin I des Universitätsklinikums Tübingen, Forschergruppe Onkologie und Alexander Bonde, Landesminister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.
Foto: Wolfgang Livaditis.


Die gentechnisch veränderten Viren werden dann auf diese Gewebeschnitte aufgetragen und das Eindringen, Vermehren und Zerstören der Tumorzellen durch die Viren untersucht. Virotherapeutische Forschungen insbesondere mit dem Masernvirus sind von großer Bedeutung, da andere Medikamente oft auf Leberzellkarzinome nicht ansprechen und mit Nebenwirkungen verbunden sind. Das Masern-Impfvirus gilt als vielversprechend, weil es millionenfach  geimpft wurde und als sicher gilt, d. h. gesundes Gewebe nicht angreift. Es wird gentechnisch so verändert, dass es in der Lage ist, nur die gewünschten Tumorzellen aufzuspüren, in sie einzudringen und sich dort so zu vermehren, dass die Tumorzellen zerstört werden.  Die in vitro-Methodik wurde inzwischen auch von anderen Forschergruppen übernommen.

In der Pressemitteilung zur Forschungspreisverleihung betont Alexander Bonde, Baden-Württembergs Landesminister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz: „Gerade als forschungsstarker Standort wollen wir ein Zeichen setzen, dass wir unsere Verpflichtung zur Verringerung der Tierversuche ernst nehmen. Dafür braucht es konkrete Alternativen, die von Wissenschaftlern entwickelt werden müssen“.

Quellen:
Schleicher, M. et al. (2010): Simplified Pulse Reactor for Real-Time Long-Term In Vitro Testing of Biological Heart Valves. Annals of Biomedical Engineering 38/5: 1919-1927.
http://www.springerlink.com/content/g67k337081123166/

Zimmermann, M. et al. (2009): Human precision-cut liver tumor slices as a tumor patient-individual predictive test system for oncolytic measles vaccine viruses. International Journal of Oncology 34: 1247-1256.
http://www.mendeley.com/research/human-precisioncut-liver-tumor-slices-as-a-tumor-patientindividual-predictive-test-system-for-oncolytic-measles-
vaccine-viruses/