Dienstag, 20 Oktober 2015 16:53

Tierschutzforschungspreisverleihung Berlin 2015 Empfehlung

Im Roten Rathaus von Berlin wurden heute die Preisträger mit dem diesjährigen Tierschutzforschungspreis des Landes Berlin geehrt. Die Preisverleihung erfolgte gleich zweimal: einmal an ein Forscherteam, das eine Ersatzmethode zum Tierversuch entwickelt hat, und einmal an eine Forschergruppe, die für die Hochschullehre eine Ringvorlesung zu Tierversuchsalternativen in der Forschung, Ausbildung und Lehre konzipiert hat.

Während bislang die Tierschutzforschungspreise des Landes Berlin vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller mit je 15.000 Euro gesponsert worden waren, legte das Land Berlin nun erstmalig 10.000 Euro dazu und stiftete einen zweiten Preis, der für Arbeiten im Bereich Alternativen in der der Lehre und Ausbildung im zweijährlichen Abstand vergeben wird.

Der mit 15.000 Euro dotierte Tierschutz-Forschungspreis Berlin (vfa-Preis) ging in diesem Jahr an Prof. Dr. Gerhard Püschel, Dr. Andrea Pathe-Neuschäfer-Rube und Dr. Frank Neuschäfer-Rube vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Potsdam. Sie haben gemeinsam ein zellbasiertes Verfahren zur Bestimmung der Aktivität von Botulinum-Toxinen entwickelt. In ihrer Machbarkeitsstudie konnte sie zeigen, dass ihr neues Verfahren für alle verschiedenen Botulinumtoxin-Typen angewandt werden kann. Im Gegensatz zu Tierversuchsersatzentwicklungen in der Industrie, die auf immonologischen Verfahren basiert, nutzt dieses Verfahren ein Enzym des Glühwürmchens, das als Reporter die Menge an freigesetztem Neurotransmitter bestimmen lässt. InVitro+Jobs berichtete bereits darüber.

 

Gruppenbild zur Preisübergabe. (Von links nach rechts: Dr. Heidemarie Ratsch, Fachgruppenleiterin des Landesamt Gesundheit und Soziales, Sabine Töpfer-Kataw, Staatssekretärin bei der Senatsverwaltung für Justiz, Thomas Heilmann, Senator für Justiz und Verbraucherschutz, Preisträger: Prof. Gerhard Püschel, Dr. Pathe-Neuschäfer-Rube, Dr. Neuschäfer Rube sowie Franz Allert, Präsident des LaGeSo).
Foto: LaGeSo.


Die Jury war sich darüber einig, dass dieser Ansatz äußerst innovativ und daher preiswürdig ist. Mit der neuen Methode als Ersatz zum LD50 Test an Mäusen könnten jährlich allein in Deutschland rund 150.000 Mäusen der Tierversuch erspart bleiben. Ein solches Verfahren wäre für alle Entwickler frei zugänglich und nicht durch ein Patent geschützt.

Der zweite Preis des Landes Berlin zur Förderung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche in der Lehre und Ausbildung, der mit 10.000 Euro dotiert ist, ging an Prof. Christa Thöne-Reineke vom Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchstierkunde der Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin. Gemeinsam mit Dr. Vivian Kral und Prof. Monika Schäfer-Korting hat sie eine Ringvorlesung zum Thema "Alternativen zu Tierversuchen in der Forschung, Ausbildung und Lehre" konzeptioniert.

 

Staatssekretärin Sabine Töpfer-Kataw (links), Franz Allert, Präsident des LaGeSo und Preisträgerinnen Prof. Christa Thöne-Reineke und Prof. Monika Schäfer-Korting.
Foto: Christiane Hohensee


Die Preisträgerin stellte ihre neue Lehrkonzeption vor. Sie wies darauf hin, dass, solange die Forschung nicht auf den Tierversuch verzichten könne, die Verantwortung für die eingesetzten Tiere übernommen werden müsste. Responsibility sei das 4. R im 3R-Konzept von Russel & Burch, das multidisziplinär durch Zusammenarbeit von Naturwissenschaftlern, Ethikern und Rechtskundlern durch qualifizierte Lehre und kontinuierliche Weiterbildung umzusetzen sei. Dies erfolge in einem sogenannten Blended-Learning-Ansatz, der Präsenzunterricht mit Videokonferenzen und Webinaren verbinde. Neben einer vor Ort präsenten Lehrperson von der BB3R-Forschungsplattform sollen per Videokonferenz ausgewiesene Experten zugeschaltet werden. Die Konzeption soll auch anderen Studiengängen der Universitäten Berlins und Brandenburgs zugänglich sein.

Der Präsident des Landesamtes für Gesundheit und Soziales, Franz Allert, hob hervor, dass es sich bei der Preisverleihung nicht um eine - wie gelegentlich behauptet werde - Alibiveranstaltung handele. Forschung, Lehre, Pharmaunternehmen und Politik seien eine Einheit und gemeinsam würde man weitermachen auf dem Weg der Entwicklung von Tierversuchsalternativen.

Berlins Landestierschutzbeauftragter Prof. Horst Spielmann berichtete, dass er in den Jahren zuvor immer kritisiert habe, dass das Land Berlin sich selbst nicht an der Tierschutzforschungpreisvergabe beteiligt habe. Er sei nun froh, dass das Land einen zusätzlichen Preis für die Lehre vergäbe. Aber mit 15.000 Euro könne man nicht forschen. Wo tue sich wirklich etwas, fragte er und zeigte auf, dass die Entwicklung neuer Arzneimittelabnähme, weil der Tierversuch schlechte Voraussagen ergäbe. Daher wären in den USA 75 Mio Dollar an Forschungsmitteln für die Entwicklung neuer Krankheitsmodelle bewilligt worden. Weil es keine vernünftigen Tiermodelle gäbe, hätten die zwei größten Pharmafirmen ihre Forschung in den Bereich Alzheimer und Parkinson bereits eingestellt.

 


Dr. Sigfried Throm vom vfa.
Foto: Christiane Hohensee


Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer des vfa, berichtete über eine Mitgliedsfirmenbefragung in seinem Hause. Bis 2017 seien 300 Entwicklungsprojekte im fortgeschrittenen Stadium für mehr als 120 Krankheiten. Derzeit sei der Tierversuch noch nicht verzichtbar, auch für die Erprobung neuer Arzneimittel. Das sei bedingt durch die weltweiten Regularien und gebiete die ethische Verantwortung gegenüber den Menschen. Jedoch sei der Tierversuch in vielen Fällen mit Mängeln behaftet. Der vfa habe gerne die Sponsorenschaft für diesen Preis übernommen, freue sich aber auch, das erstmals ein Preis finanziert durch das Land Berlin für die Lehre verliehen werde.

Prof. Jürgen Zentek, Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin der FU Berlin kündigte an, dass es in Kürze eine Refinement-Professur an der Freien
Universität Berlin geben werde.