Am 30. September fand im Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin das Symposium zu Tierversuchsalternativen statt. Eingeladen hatte das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales. Es gab Ermunterndes zu hören.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung verlautbarte Sabine Toepfer-Kataw, Staatssekretärin bei der Senatsverwaltung für Justiz, dass sich das Land ab 2015 an der Finanzierung des Tierschutzforschungspreises Berlin-Brandenburg beteiligen wird. Damit ist ein erster Schritt zur Umsetzung des Koalitionsvertrages gemacht, der eine Förderung von Ersatzverfahren zu Tierversuchen vorsieht. Es sei gut, so sagte sie weiter, dass wir uns gegenseitig informieren, was es bereits gibt, denn Ziel sei es auch, die bereits bestehenden Methoden verpflichtend in die universitäre Lehre hereinzutragen und damit zur Anwendung zu bringen.

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Von links nach rechts: Prof. Monika Schäfer-Korting, Sabine Toepfer-Kataw, Prof. Horst Spielmann, Prof. Gilbert Schönfelder.
Foto: Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo).



Der Tierschutzforschungspreis Berlin-Brandenburg wird bislang noch vom Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) gespendet. Das Preisgeld beträgt 15.000 Euro. Eringereicht werden können Arbeiten zu Entwicklungen auf dem Gebiet der 3 R, also zum Ersatz von Tierversuchen, zur Reduktion der Tierversuchszahl oder zur Verfeinerung von Methoden, die wiederum eine Reduktion der Tierversuchszahl bedeuten können. Im Falle, dass eine reine Ersatzmethode ausgezeichnet wird, gibt das Berliner Bündnis Tierschutzpolitik, ein Zusammenschluss aus Berliner Tierschutzverein und Bundesverband Tierschutz, noch einmal 5.000,- dazu. Es winken also 20.000,-, was als Anreiz gedacht ist, in diese Richtung zu forschen, so die Sprecherin des Bündnisses, Brigitte Jenner.
Bewerbungsschluss für den kommenden Preis ist der 31.3.2015.

Ein Highlight war sie Vorstellung einer Computerdatenbank zur Veröffentlichung der nicht-technischen Projektzusammenfassung. Im Sinne der europäischen Tierversuchsrichtlinie EU 63/2010 und des neuen Tierschutzgesetzes sowie der Tierschutz-Versuchstierverordnung hat der Bürger ein Informationsrecht, was mit den eingesetzten Versuchstieren geschieht. Aus diesem Grunde sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Bürgern Informationszugang in Form einer nicht-technischen Projektzusammenfassung zu gewähren. Prof. Schönfelder, ZEBET-Leiter des BfR stellte die Datenbank vor. Die Informationen sollen einfach verständlich sein und Angaben zur verwendeten Tierspezies, zur Tieranzahl, Forschungsbezeichnung, Forschungszweck, Schäden, die die Tier erleiden müssen sowie ggf. angewandte Aspekte des 3R-Prinzips enthalten. Über Schlagworte können Tierversuche aus der Vielzahl an eingegeben Datensätzen gefunden werden. Die Angaben der nicht-technischen Projektzusammenfassung sind vom Antragsteller in Form eines auszufüllenden Formulars zu machen. Sie sind Bestandteil eines Antrags auf Genehmigung eines Tierversuchs. Die genehmigende Behörde muss den Antrag innerhalb von drei Monaten an das BfR übermitteln, das wiederum innerhalb von 12 Monaten eine Veröffentlichung (in der Datenbank) vornehmen muss.

Prof. Monika Schäfer-Korting berichtete über den Stand der Forschung bei der Entwicklung von Krankheitsmodellen der Haut. Über eine spezielle Technik ist die Arbeitsgruppe vom Institut für Pharmazie, Pharmakologie und Toxikologie an der Freien Universität in der Lage, menschliche Vollhaut mit all ihren Schichten wachsen zu lassen. Um ein Krankheitsmodell zu erzeugen, werden z. B. vorab Gene ausgeschaltet, um eine Haut mit atopischer Dermatitis zu erzeugen. Die Modelle dienen dazu, geeignete Arzneimittel zu entwickeln, aber auch in der Grundlagenforschung.

Dr. Frauke Hoffmann von Institut für Gewässerbiologie und Binnenfischerei (IGB) hat sich mit dem Paarungsverhalten des Krallenfrosches beschäftigt. Hormonwirksame Substanzen in Gewässern wie Pestizide oder Umweltschadstoffe können mit dem Hormonsystem des Menschen in Wechselwirkung treten und Schäden anrichten und ggf. zu Erkrankungen führen. Aus diesem Grunde werden Chemikalien und Arzneimittel auf ihre Umweltverträglichkeit hin untersucht und zwar u.a. an Wirbeltieren wie Fischen und Fröschen. während Fische für sexualendokrine Mechanismen eingesetzt werden, nutzen Forscher Amphibien zur Untersuchung der Auswirkungen auf Schilddrüsenhormone und die Metamorphose. Dies erfolgt invasiv, das Tier wird danach getötet. Hier setzt nun der neue Test an. Dr. Hoffmann hat mit ihrem Team herausgefunden, dass Krallenfrosche im mit Androgenen oder Östrogenen angereichertem Wasser einen veränderten Paarungsgesang durchführen als bei unbelastetem Wasser. Dieser Vorgang ist reversibel und erlaubt, das Gesangsmuster des Krallenfrosches als Testindikator für verschiedene hormonwirksame Substanzen einzusetzen.

Dr. Michael Beekes vom Robert-Koch-institut stellte einen in vitro-Assay vor, mit dem sich die Menge der an Prionen, den Erregern einer übertragbaren schwammartigen Hirnerkrankung wie z.B. der Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung oder BSE, ermitteln lässt. Medizinprodukte können so auf Prionen getestet werden. Anstatt die Menge des Erregers im Gehirn des lebenden Hamsters oder der Maus festzustellen, testen die Forscher die Menge in einer Primärzellkultur, die 1000-fach empfindlicher als der Tierversuch ist. Allerdings werden für den in vitro-Ansatz Primärzellen des Hamsterhirns verwendet, wonach diese Methode keine Ersatzmethode, sondern eine Reduktion des Tierverbrauchs und eine Verfeinerung der Bestimmungsmethode darstellt.

Dr. Claudia Röhl, Abteilungsleiterin beim Zentralinstitut zur Erfassung und Bewertung des Tierversuchs (ZEBET) beim BfR, gab einen Überblick zum gegenwärtigen Stand der Entwicklungen auf dem Gebiet der systemischen Toxizität. Die systemische Toxizität ist sozusagen das Gegenteil der lokalen Toxizität: Trotz der Erfolge bei der Ersatzverfahrenentwicklung in der Kosmetik für die Testung auf Haut- und Augenreizung/-ätzung, bei der ein beschränktes Areal des Körpers untersucht wird, ist das bei der systemischen Toxizität weitaus komplizierter. Rund 10 Prozent der Tierversuche im Bereich der Toxikologie werden zu Untersuchungen auf die Auswirkung auf die Reproduktion und rund 55 Prozent zur Untersuchung der akuten und chronischen Vergiftung durchgeführt. Verschiedene Organe können betroffen sein, wenn eine Testsubstanz oral oder inhalativ in den Körperkreislauf gelangt und dort ggf. verändert wird. So kann sie dadurch erst toxisch werden, im anderen Falle enttoxifiziert werden. In den großen Bereich der systemischen Toxikologie gehört auch die Reproduktions- und Entwicklungstoxikologie, wenn eine Substanz z.B. die Keimzellen verändert und Schäden an die Nachkommen weitergegeben werden. Hier gibt es trotz Anstrengungen der letzten Jahre noch immer nicht genug Ersatzverfahren zum Tierversuch, nur zu Einzelaspekten, so dass auch noch immer Tierversuche durchgeführt werden.

Aus diesem Grunde versuchen Wissenschaftler u.a., zumindest die Zahl der Tiere zu reduzieren, indem sie z.B. bessere bildgebende Verfahren einsetzen, wie z.B. Prof. Thoralf Niendorf vom Berliner Max-Dellbrück-Zentrum. Er berichtete über das Potenzial hochleistungsfähiger Magnetresonanz-tomografen, Organe kleiner Säuger zu untersuchen. Am MDC stehen mehrere MRTs, eines sogar mit einer Leistungsstärke von 8T (die magnetische Flussdichte von Kernspintomographen wird in der Einheit Tesla angegeben). Im Gerät wird keine belastende Röntgenstrahlung oder andere ionisierende Strahlung erzeugt oder genutzt. Derzeit sollen auch Probandentests durchgeführt werden und so werden Freiwillige gesucht. Prof. Niendorf zeigte sich zudem offen für neue Forschungskooperationen z.B. im Bereich der Kognitionswissenschaften. Vielleicht könnten in zukunft einmal Affenversuche ersetzt werden?

Prof. Jörg Luy von der Freien universität Berlin hat sich einem anderen Aspekt zugewandt: Gemeinsam mit Kollegen hat er eine Plattform unter dem Namen AniMatch entwickelt, die es ermöglichen soll, nicht genutzte Organe von bereits zu Tierversuchszwecken getöteten Tieren zu vermitteln. Durch die Vermittlung soll verhindert werden, dass nicht benötigtes Gewebe oder Organe entsorgt, an anderer Stelle dagegen neue Tiere getötet werden, weil genau derartige Organe benötigt werden.

Den Vorträgen schloss sich Podiumsdiskussion zur Frage "wie können in Berlin gezielt Alternativ-methoden gefördert werden" an. In diesem Rahmen wurden u.a. die zukünftige Marschrichtung noch einmal zusammengefasst:

- Förderung in Form von Tierschutzforschungspreisen
- die Beteiligten zusammenbringen und eine Verbesserung der Kommunikation
- Vermittlung der Alternativmethoden an Forscher, die noch nicht damit arbeiten sowie die Förderung von Kreativität auf diesem Gebiet.

Das Problem, dass 70 Prozent der Tiere in der Grundlagenforschung eingesetzt werden, konnte mit der Veranstaltung nicht behandelt werden. Jedoch wies Prof. Spielmann, ehemaliger ZEBET-Leiter und heutiger Landestierschutzbeauftragter Berlins darauf hin, dass eines der herausragenden Themen des Weltkongresses im August in Prag die Entwicklung von Organsystemen auf dem Chip gewesen sei. Perspektivisch könnten Krankheitsmodelle auf dem Mikrochip die gentechnisch
veränderten Tiere in den Grundlagenforschung, ebenfalls häufig Krankheitsmodelle genannt, einmal ablösen.