Am 24. Januar wurde im Berliner Wissenschaftsforum durch den Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Prof. Matthias Kleiner, der diesjährige Ursula M. Händel-Tierschutzpreis verliehen. Die Preisträger sind in diesem Jahr zwei Forscherteams aus Hamburg und Konstanz, die mit jeweils 25.000 € bedacht werden. Eingebettet in die Preisverleihung war eine Podiumsdiskussion zum Thema >Tierversuche in der Grundlagenforschung: Chancen und Grenzen von Ersatzmethoden<.


Der Ursula M. Händel-Tierschutzpreis in Höhe von insgesamt 50.000 € wird damit zum vierten Mal verliehen. Er geht auf die Privatinitiative seiner gleichnamigen Stifterin zurück, die sich seit Jahrzehnten in vielfältiger Weise für den Tierschutz einsetzt. Der Preis wird insbesondere für die Entwicklung von Verfahren verliehen, die zur Reduzierung, Verfeinerung und zum Ersatz von Tierversuchen beitragen. Die Preisverleihung hat seit mehreren Jahren Tradition. Neben einem Tierschutzpreis können sich herausragende Wissenschaftler jedoch auch um eine reguläre Projektförderung bemühen, wenn sie auf dem Gebiet der tiereinsatzfreien Verfahren arbeiten. Überhaupt sind hier Berührungsängste unnötig: „Lediglich 14 Forschergruppen haben sich um den Tierschutzpreis beworben und es könnten durchaus mehr sein“, teilt der Pressedirektor der DFG, Marco Finetti, mit.

 

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Linkes Foto: Preisträger Prof. Thomas Eschenhagen, Dr. Arne Hansen, Dr. Ing. Alexandra Eder, Dr. Sebastian Schaaf und DFG-Präsident Prof. Matthias Kleiner.

Rechtes Foto: Prof. Alexander Bürkle, Preisträgerin Dr. Maria Moreno-Villanueva, DFG-Präsident Prof. Matthias Kleiner.

Ausgezeichnet wurden diesmal die Forschergruppe des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie des Hamburger Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf,  Prof. Thomas Eschenhagen, Dr. Arne Hansen, Alexandra Eder und Sebastian Schaaf für ihre Entwicklung eines Ersatzverfahrens zum Test pharmakologischer Stoffe auf die Herzfunktion, indem sie aus embryonalen Stammzellen funktionsfähige Herzmuskelzellgewebe mit variierbaren Parametern herstellen konnten (dreidimensionales kardiales Tissue Engineering). Hier kann nun der Einfluss der Substanzen auf die Kraft, die Anspannungs- und Entspannungszeit sowie den Rhythmus des künstlichen Herzgewebes untersucht werden. Zudem handelt es sich  um eine weitgehend automatisierte Methode, wodurch sehr viel Zeit und Material eingespart werden kann. In Vorversuchen müssten nun pharmakologische Stoffe nicht mehr an Kaninchen oder Hunden erprobt werden, durch den Test können eine Vielzahl der Versuchstiere eingespart werden.
Einen sogenannten hERG-Test zur Risikoabschätzung von Arzneimittelwirkungen gibt es bereits seit einiger Zeit. Neu ist aber, dass die Forscher nun auf menschliches Gewebematerial zurückgreifen können, da der Mensch ja auch am Ende der Nutzer der Arzneimittel ist. Das Preisgeld soll nun in die Weiterentwicklung der Methode investiert werden.

Bei der zweiten Preisträgergruppe handelt es sich um Prof. Alexander Bürkle und Dr. Maria Moreno-Villanueva vom Lehrstuhl für molekuläre Toxikologie der Universität Konstanz für ihre Arbeiten zur Entwicklung eines optischen Nachweisverfahrens von DNA-Strangbrüchen und deren Reparatur nach Hinzugabe bestimmter chemischer Substanzen (sogenannte FADU-Methode) und damit zur Identifizierung gentoxischer Effekte dieser Substanzen. Bei dieser Methode werden aus menschlichen Blutproben die Zellen entnommen und ein Stoff außerhalb des Körpers „ex vivo“ getestet. Bislang wurden diese Tests an Seren von Rinderembryonen durchgeführt, was sich nun einsparen lässt. Auch kleinste Veränderungen der Zellen als Reaktion auf einen Stoff können entdeckt werden, welche sonst unbemerkt blieben, aber drastische Folgen auf den Organismus haben könnten, z.B. in Form einer Mutation, von Krebs oder eines plötzlichen Zelltodes. Das Preisgeld soll nun für die Validierung der Methode verwendet werden. Prof. Bürkle ist mit seinem Lehrstuhl für molekulare Toxikologie bei uns in der InVitroJobs-Arbeitsgruppenliste vertreten.
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Podiumsdiskussionsteilnehmer (von links nach rechts): Prof. Axel Haverich, Prof. Stefan Treue, Prof. Marcel Leist, Marco Finetti (DFG). Rechtes Bild: Prof. Marcel Leist.

Die Ursula M. Händel-Preisverleihung war begleitet von der Podiumsdiskussion zum Thema „Tierversuche in der Grundlagenforschung: Chancen und Grenzen von Ersatzmethoden“. Hierbei äußerte sich Prof. Marcel Leist (Doerenkampp-Zbinden-Lehrstuhl Konstanz), neben Prof. Axel Haverich (MHH) und Prof. Stefan Treue (Universität Göttingen) einer der Teilnehmer der Diskussionsveranstaltung, befremdlich, dass in der „Baseler Erklärung“ vom 29. November 2010 die Förderung von Ersatzverfahren unberücksichtigt geblieben ist. Der Tierversuch werde manchmal überschätzt. So habe z.B. eines von vier Alzheimer-Medikamenten im Tierversuch genau die entgegengesetzte Wirkung als beim Patienten. Hinsichtlich des Forschungsgebietes der Entwicklung von Ersatzmethoden existierten vielleicht noch keine richtigen Kriterien, um die Methodenentwicklung richtig  bewerten zu können. Prof. Treue bezeichnete die Baseler Erklärung als „einen Aufschlag zur Kommunikation, die auch zu anderen Deklarationen und Statements führen könne“. Der Prozess finge erst an.